Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zweite Leben

Das zweite Leben

Titel: Das zweite Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
Vom Netzwerk:
wahre Supermaschinen auf der Basis von 5B schaffen zu können, falls er noch länger zu leben hätte. Das ist Unsinn. Courtland hat mehr gegeben, als man von einem Menschen erwarten konnte. Wenn nur Ross unsere Arbeit fortsetzen kann!
    Ross bekam eine Gänsehaut, als er seinen Namen las. Fast ehrfürchtig starrte er auf die Zeilen. Welche Arbeit?
    »Wann hast du zum letztenmal mit Dr. Pellew geredet?« fragte er den Roboter.
    »Vor 23 Jahren und 15 Tagen, Sir.«
    »Und wann soll er das nächstemal erweckt werden?«
    Der Roboter begann zu ticken. Ross wurde wütend. »Das ist eine verdammt einfache Frage!« schrie er. Dann stellte er sie anders. »Ist er tot?«
    »Ja, Sir.«
    Ross erschauerte. »Wie viele leben noch?« fragte er leise. »Patienten und Personal?«
    »Nur Sie, Sir.«
    Ross sprang auf, starrte das Riesenei fassungslos an und schleuderte die halbvolle Konservenbüchse gegen die Wand. Pellew war tot, Alice, Hanson – alle! Ross hatte nie in seinem Leben Klaustrophobie gekannt, doch jetzt wollte er nur noch weg von hier. Das Hospital war zu einem einzigen riesigen Grab geworden. Aber er lebte! Acht Kilometer tief unter der Erde, und er wollte heraus!
    »Dr. Pellew sagte mir, daß Sie in einer nicht-rationalen Art und Weise auf die Nachricht reagieren würden, Sir«, sagte der Roboter. »Er wies mich an, Ihnen zu erklären, daß die Zukunft der Menschheit davon abhängen kann, was Sie in den nächsten Jahren tun werden, und daß unbeherrschte Reaktionen alle Hoffnungen zerstören können.«
    »Bring mich hier ’raus!« schrie Ross verzweifelt. Als die elektronische Schwester keine Reaktion zeigte, sagte er drohend: »Du weißt hoffentlich, wozu ein Mensch fähig ist, der seinen Verstand verliert!«
    »Ja, Sir.«
    »Widerspricht es deiner Programmierung, mich in diesem Zustand zu belassen?«
    »Ja, Sir.«
    »Dann bring mich an die Oberfläche!«
     
    Sie brauchten drei Stunden.
    Konnte ein Roboter Erregung empfinden? Schwester 5B tickte wie ein Geigenzähler, als sie sich der Oberfläche näherten. Ein halbes Dutzend Instandhaltungsroboter hatten die Absperrungen vor dem Aufzug beiseite räumen müssen. Ross hatte Blut geschwitzt, als die Arbeiten nicht vorangehen wollten, weil die Maschinen für jeden Handgriff einen neuen Befehl brauchten. Mit Mühe konnte er sich unter Kontrolle halten, und er wußte, daß er sich nicht wie ein gesunder Mann benahm. Er hatte die Wartezeiten mit Lesen überbrückt, und nun war ihm klar, welcher Art die Katastrophe gewesen war.
    Krieg. Pellews Aufzeichnungen zufolge hatte er fünf Monate gedauert, bis die automatisch gesteuerten Abschußbasen ihre Munition verschossen hatten, denn schon nach einer Woche gab es kein menschliches Leben an der Oberfläche mehr. Ross mußte nach oben. Er erwartete nicht, Menschen zu finden, aber irgend etwas mußte noch leben – Tiere und Pflanzen. Dies konnte nicht das Ende sein. Ein blauer Himmel und die Strahlen der Sonne, nur heraus aus diesem Mausoleum!
    Der Aufzug hielt in allen Etagen. Jedesmal rief Ross Roboter heran und erhielt jedesmal die gleiche Antwort auf die Frage, ob in der jeweiligen Abteilung noch jemand lebte. Niemand. Das ewige Ticken und die ihn anglotzenden Linsen machten ihn fast wahnsinnig. Als er endlich die oberen Stockwerke erreichte, blickte er in ein Trümmerfeld. Der Lift funktionierte nicht mehr. Die Beleuchtungssysteme waren defekt. Staub wirbelte auf, als die Roboter heranrollten. Das einzige Licht kam von den Scheinwerfern der Maschinen.
    Dann fand Ross den Tunnel, der nach oben führte. Vielleicht hatte ihn das Personal dieser obersten Etage, nur wenige Dutzend Meter unterhalb der Oberfläche, geschaffen, vielleicht aber auch die Atomopfer, die sich in der Tiefe in Sicherheit bringen wollten. Ross kletterte wie ein Besessener. Von oben kam graues, fahles Licht. Die Schwester, deren drei Räder hier kaum Halt fanden, folgte, so gut sie konnte. Einmal mußte Ross eine Pause einlegen und sich ausruhen. Er lag mit dem Gesicht auf hartem Stein, auf Erde und auf etwas, das wie geschmolzenes Glas aussah. Ein fremdartiger, abstoßender Geruch drang an seine Nase. Dann kroch er weiter, bis zum Ende des Tunnels. Er dachte zuerst, während der Nacht oder der Dämmerung aus seinem unterirdischen Gefängnis gekommen zu sein. Dann erkannte er seinen Irrtum. Er begann zu rennen, blieb wieder stehen und drehte sich um die eigene Achse. Der dunkelgraue Nebel legte sich auf seine Kleidung. So weit das Auge reichte – und das

Weitere Kostenlose Bücher