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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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leicht kratzig, als hätte er sich irgendwann in der Jugend die Stimmbänder
ruiniert, und die hätten sich nie davon erholt.
»Mr. Hutton?« Holmes musste sichergehen. Hutton nickte.
»Jimmy Hutton, Berufsfotograf, zu Ihren Diensten. Sie wollen heiraten und möchten, dass ich Ihnen
einen Rabatt einräume?«
»Nein, nichts dergleichen.«
»Dann eine Porträtaufnahme. Vielleicht von Ihrer Freundin? Oder von Papa und Mama?«
»Nein, ich fürchte, es ist nichts Geschäftliches. Ich bin aus dienstlichen Gründen hier.«
»Dann gibt's also für mich nichts zu verdienen?« Hutton lächelte, riskierte einen weiteren Blick
auf Holmes und zog an seiner Zigarette.
»Ich könnte ein Porträt von Ihnen machen. Ausgeprägtes Kinn, anständige Wangenknochen. Mit
der richtigen Beleuchtung...«
»Nein danke. Ich hasse es, mich fotografieren zu lassen.«
»Ich red doch nicht von Fotos.« Hutton ging jetzt um den Schreibtisch herum. »Ich rede von
Kunst.«
»Deshalb bin ich ja auch hier.«
»Was?«
»Wegen Kunst. Ich war recht beeindruckt von ein paar Fotos von Ihnen, die ich in der Zeitung
gesehen habe. Da hab ich mich gefragt, ob Sie mir vielleicht helfen können.«
»Ja?«
»Es geht um eine vermisste Person.« Holmes war kein großer Lügner.
Ihm brannten die Ohren, wenn er eine richtig dicke Lüge erzählte. Kein großer Lügner, aber ein
ganz passabler. »Ein junger Mann namens Ronnie McGrath.«
»Der Name sagt mir nichts.«
»Er wollte Fotograf werden, deshalb ist mir diese Idee gekommen.«
»Welche Idee?«
»Ob er vielleicht mal bei Ihnen war. Sie wissen schon, um Sie um Rat zu fragen und so.
Schließlich haben Sie in der Branche einen Namen.« Es war beinah zu offenkundig. Holmes konnte es
förmlich spüren, war sicher, dass Hutton das Spiel jeden Augenblick durchschauen würde.
Doch am Ende siegte die Eitelkeit.
»Nun ja«, sagte der Fotograf und lehnte sich gegen den Schreibtisch, die Arme verschränkt, die
Beine gekreuzt, durch und durch selbstbewusst. »Wie sah er denn aus, dieser Ronnie?«
»Mittelgroß, kurze braune Haare. Machte gern Fotostudien. Sie wissen schon, was ich meine, das
Castle, Calton Hill...«
»Fotografieren Sie selbst, Inspector?«
»Ich bin nur Constable.« Holmes lächelte erfreut über den Irrtum.
Dann kam ihm ein Verdacht. Wenn Hutton nun das gleiche Spielchen mit ihm trieb und bloß an
seine Eitelkeit appellierte? »Und ich hab nie viel fotografiert. Ein paar Schnappschüsse im
Urlaub und so.«
»Zucker?« Christine steckte den Kopf durch die Tür und lächelte Holmes erneut an.
»Nein danke«, sagte er. »Nur Milch.«
»Gib einen Tropfen Whisky in meinen«, sagte Hutton, »sei so lieb.«
Er sah augenzwinkernd zur Tür, die sich bereits wieder schloss. »Kommt mir irgendwie bekannt vor,
muss ich zugeben, Ronnie... Studien vom Castle. Ja, ja. Jetzt erinnere ich mich an einen jungen
Mann, der hierher kam. Verdammt nervig war der. Ich stellte gerade eine Musterkollektion
zusammen, eine längerfristige Sache. Etwas, wobei man sich hundertprozentig konzentrieren muss.
Er kam ständig vorbei, wollte mich sprechen und mir seine Arbeiten zeigen.« Hutton hob
entschuldigend die Hände. »Ich meine, wir waren ja alle mal jung. Ich hätte ihm schon gerne
geholfen, aber ich hatte einfach nicht die Zeit, jedenfalls in dem Augenblick nicht.«
»Sie haben sich seine Arbeiten also nicht angesehen?«
»Nein. Wie gesagt, keine Zeit. Nach ein paar Wochen kam er dann nicht mehr.«
»Wie lange ist das her?«
»Ein paar Monate. Drei oder vier.«
Die Sekretärin kam mit dem Kaffee herein. Holmes konnte die Whiskydünste aus Huttons Becher
riechen und war angewidert und neidisch zugleich. Jedenfalls verlief das Gespräch ganz gut. Es
wurde Zeit, auf ein anderes Gleis zu wechseln.
»Danke, Christine«, sagte er, und sie schien sich über diese Vertraulichkeit zu freuen. Sie
selber trank nichts, setzte sich hin und nahm sich eine Zigarette. Er dachte kurz daran, ihr
Feuer zu geben, doch er hielt sich zurück.
»Hören Sie«, sagte Hutton. »Ich bin Ihnen ja gerne behilflich, aber ...«
»Sie sind ein viel beschäftigter Mann.« Holmes nickte zustimmend.
»Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie sich überhaupt Zeit für mich genommen haben. Und wir sind
eigentlich auch fertig.« Er nahm einen Schluck von dem glühend heißen Kaffee, wagte aber nicht,
ihn in den Becher zurückzuspucken, sondern würgte ihn mühsam hinunter.
»Na prima«, sagte Hutton und erhob sich von der Schreibtischkante.
»Ach«,

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