Das zweite Zeichen
dich geschlagen. Ja?«
»Ja.« Sie wirkte besänftigt.
»Und vielleicht«, fuhr Rebus fort, »hast du zurückgeschlagen?«
»Was das Zeug hielt.«
»Ein Mädchen ganz nach meinem Herzen«, sagte McCall. Er lief im Zimmer umher, drehte die Kissen
auf den Sofas um, schlug alte Zeitschriften auf und bückte sich, um jeden einzelnen Schlafsack
abzutasten.
»Behandeln Sie mich nicht wie eine Idiotin, Sie Dreckskerl«, sagte Tracy.
McCall schaute überrascht auf. Dann lächelte er und tastete den nächsten Schlafsack ab. »Aha«,
sagte er, hob den Schlafsack hoch und schüttelte ihn. Ein kleiner Plastikbeutel fiel auf den
Boden. Offenkundig zufrieden hob er ihn auf. »Ein bisschen Koks«, sagte er. »Das macht ein Heim
erst richtig gemütlich, was?«
»Davon weiß ich nichts«, sagte Tracy und starrte auf den Beutel.
»Wir glauben dir«, sagte Rebus. »Charlie ist also abgehauen?«
»Ja. Die Nachbarn müssen die Bullen ich mein die Polizei gerufen haben.« Sie blickte verlegen
zur Seite.
»Man hat uns schon schlimmere Bezeichnungen an den Kopf geworfen«, sagte McCall, »was,
John?«
»Allerdings. Als die Constables vor der Tür standen, ist Charlie also einfach
verschwunden?«
»Ja, durch die Hintertür.«
»Wo wir schon mal hier sind«, sagte Rebus, »könnten wir eigentlich einen Blick in sein Zimmer
werfen, falls so etwas existiert.«
»Gute Idee«, sagte McCall und steckte den Plastikbeutel ein. »Wo Rauch ist, ist auch
Feuer.«
Charlie hatte durchaus ein Zimmer. Es enthielt einen Schlafsack, einen Schreibtisch, eine
Architektenlampe und mehr Bücher, als Rebus je auf so engem Raum gesehen hatte. Sie waren an den
Wänden gestapelt und bildeten wackelige Säulen vom Boden bis zur Decke. Viele stammten aus
Bibliotheken und waren längst überfällig.
»Er muss den Stadtvätern ein kleines Vermögen schulden«, sagte McCall.
Es waren Bücher über Wirtschaft, Politik und Geschichte sowie wissenschaftliche und nicht ganz so
wissenschaftliche Werke über Dämonismus, Teufelsanbetung und Hexerei. Es gab nur wenige Romane,
und die meisten Bücher waren gründlich durchgearbeitet worden, mit vielen Unterstreichungen und
Randbemerkungen in Bleistift. Auf dem Schreibtisch lag ein halb fertiger Essay, den Charlie
sicher für ein Seminar an der Uni geschrieben hatte. Darin versuchte er offenbar das Magische mit
der modernen Gesellschaft zu verknüpfen.
Soweit Rebus es beurteilen konnte, war das zum größten Teil unsinniges Geschwafel.
»Hallo!«
Das kam von unten, von den beiden Constables, die offenbar gerade heraufkommen wollten.
»Selber hallo«, rief McCall zurück. Dann schüttete er den Inhalt einer großen Plastiktüte aus dem
Supermarkt auf den Fußboden.
Kugelschreiber, Spielzeugautos, Zigarettenblättchen, ein hölzernes Ei, eine Rolle Garn, ein
Walkman und ein Schweizer Armeemesser fielen heraus und eine Kamera. McCall bückte sich, um die
Kamera mit Daumen und Mittelfinger aufzuheben. Hübsches Gerät, 35-Millimeter Spiegelreflexkamera.
Gutes Fabrikat. Er hielt sie Rebus hin. Der nahm sie, nachdem er zuerst ein Taschentuch
hervorgezogen hatte, mit dem er sie anfassen konnte. Dann drehte sich Rebus zu Tracy um, die mit
verschränkten Armen gegen den Türrahmen gelehnt stand, und sah sie fragend an. Sie antwortete mit
einem Nicken.
»Ja«, sagte sie. »Das ist Ronnies Kamera.«
Die Constables waren jetzt oben an der Treppe angekommen. Rebus ließ die Kamera in die
Supermarkttüte fallen, die McCall ihm hinhielt, darauf bedacht, keine Fingerabdrücke zu
verwischen.
»Todd«, sagte er zu dem Constable, den er kannte, »bringen Sie diese junge Dame zur Great London
Road Station.« Tracy klappte der Mund auf. »Es ist nur zu deiner eigenen Sicherheit«, sagte
Rebus. »Geh mit ihnen. Wir sehen uns später, sobald ich Zeit habe.«
Sie schien immer noch etwas einwenden zu wollen. Dann überlegte sie es sich jedoch anders,
nickte, drehte sich um und verließ das Zimmer.
Rebus lauschte ihren Schritten, wie sie begleitet von den Constables die Treppe hinunterging.
McCall suchte immer noch herum, wenn auch ohne großen Eifer. Zwei Funde, damit konnte man schon
was anfangen.
»Wo Rauch ist, ist auch Feuer«, sagte er.
»Ich hab heute mit Tommy zu Mittag gegessen«, sagte Rebus.
»Mit meinem Bruder Tommy?« McCall blickte auf. Rebus nickte.
»Dann hast du mir was voraus. Mich hat er seit fünfzehn Jahren nicht mehr zum Essen
eingeladen.«
»Wir waren im Eyrie.« McCall stieß einen Pfiff
Weitere Kostenlose Bücher