Das zweite Zeichen
ist noch drinnen. Sie hat ein blaues Auge
abbekommen, weiter nichts. Sind Sie eigentlich nicht für zuständig, Sir.«
»Tatsächlich?«, sagte Rebus. »Jedenfalls danke, dass Sie mich darauf aufmerksam machen, Sonny.
Ist nett, wenn einem jemand sagt, wofür man zuständig ist und wofür nicht. Vielen Dank.
Würden Sie mir jetzt freundlicherweise erlauben, das Haus zu betreten?«
Der Constable wurde knallrot. Seine Wangen hoben sich glühend von dem blutleeren Gesicht und dem
Hals ab. Nein, selbst sein Hals wurde jetzt rot. Rebus genoss das. Es störte ihn noch nicht mal,
dass hinter dem Constable, aber für Rebus deutlich sichtbar, Todd das Ganze mit einem hämischen
Grinsen beobachtete.
»Also?«, drängte Rebus.
»Tut mir Leid, Sir.«
»Na schön«, sagte Rebus und ging auf die Haustür zu. Doch noch bevor er sie erreichte, wurde sie
von innen geöffnet, und Tracy erschien, die Augen vom Weinen gerötet. Eines zierte ein tiefblaues
Veilchen. Sie schien nicht überrascht, Rebus zu sehen. Sie schien sogar erleichtert und warf sich
ihm um den Hals und drückte den Kopf an seine Schulter. Die Tränen flossen aufs Neue.
Rebus, erschrocken und verlegen zugleich, erwiderte die Umarmung nur zögernd, indem er ihr mit
den Händen den Rücken tätschelte und väterlich »ist ja schon gut« murmelte, wie zu einem
verängstigten Kind.
Er drehte den Kopf zu den Constables, die so taten, als würden sie nichts mitbekommen. Dann hielt
ein Auto neben seinem, und er sah Tony McCall die Handbremse ziehen, bevor er die Fahrertür
aufstieß, ausstieg und Rebus und die junge Frau bemerkte.
Rebus legte Tracy die Hände auf die Arme und schob sie ein wenig von sich, ließ sie aber nicht
los. Seine Hände, ihre Arme. Sie sah ihn an und versuchte, gegen die Tränen anzukämpfen.
Schließlich zog sie einen Arm weg, damit sie sich die Augen wischen konnte. Dann entspannte sie
den anderen Arm, und Rebus' Hand fiel nach unten. Der Kontakt war unterbrochen. Vorläufig.
»John?« Es war McCall, der nun dicht hinter ihm stand.
»Ja, Tony?«
»Wieso ist mein Revier plötzlich dein Revier?«
»Ich kam nur zufällig vorbei«, sagte Rebus.
Im Haus war es erstaunlich sauber und aufgeräumt. Es gab zahlreiche Möbelstücke, wenn sie auch
nicht zusammenpassten zwei verschlissene Sofas, mehrere Stühle, einen Rattantisch und ein
halbes Dutzend Sitzkissen, bei denen die Füllung aus den aufgeplatzten Nähten herausquoll. Doch
was das Erstaunlichste war, es gab Strom.
»Ob das Elektrizitätswerk das wohl weiß«, sagte McCall, als Rebus im Erdgeschoss das Licht
anschaltete.
Trotz der ganzen Einrichtung hatte das Haus etwas Provisorisches an sich. Auf dem Fußboden im
Wohnzimmer waren Schlafsäcke ausgebreitet, als ob sie auf zufällig vorbeikommende Streuner
warteten.
Tracy setzte sich auf eins der Sofas und schlang die Hände um die Knie.
»Ist das deine Wohnung?«, fragte Rebus, obwohl er die Antwort kannte.
»Nein, Charlies.«
»Seit wann weißt du das?«
»Ich hab's erst heute rausgefunden. Er zieht ständig um. Es war nicht einfach, ihn
aufzuspüren.«
»Du hast aber nicht lange dazu gebraucht.« Sie zuckte die Achseln.
»Was ist passiert?«
»Ich wollte bloß mit ihm reden.«
»Über Ronnie?« McCall horchte auf, als Rebus das sagte. Er war jetzt ganz konzentriert. Er hatte
verstanden, dass Rebus versuchte, ihm die Situation zu erklären, während er gleichzeitig Tracy
ausfragte.
»Vielleicht blöde von mir, aber ich musste mit jemandem reden.«
»Und?«
»Wir haben uns gestritten. Er hat angefangen. Hat mir vorgeworfen, ich sei schuld an Ronnies
Tod.« Sie schaute zu ihnen auf, nicht bittend, sondern nur um zu zeigen, dass sie aufrichtig war.
»Das stimmt nicht. Aber Charlie hat gesagt, ich hätte mich um Ronnie kümmern müssen, ihn daran
hindern, das Zeug zu nehmen, ihn aus Pilmuir fortschaffen. Aber wie hätte ich das denn tun
sollen? Er hätte doch nicht auf mich gehört. Ich hab geglaubt, er wüsste, was er tut. Er ließ
sich von keinem was sagen.«
»Hast du das Charlie gesagt?«
Sie lächelte. »Nein. Das ist mir erst jetzt eingefallen. So ist das doch immer, oder? Die
schlauen Antworten fallen einem erst hinterher ein, wenn alles vorbei ist.«
»Das kenne ich nur zu gut«, sagte McCall.
»Also habt ihr angefangen, euch anzubrüllen.«
»Ich hab nicht damit angefangen!«, gab sie wütend zurück.
»Okay«, sagte Rebus ganz ruhig. »Charlie hat dich angeschrien, und du hast zurückgeschrien, dann
hat er
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