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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Stoff. Hast du was dabei?«
Rebus schüttelte den Kopf und dachte: Ich möchte ihn doch am liebsten in den Bauch
treten.
»Schade«, sagte der Junge.
»Wie heißt du übrigens?«
»Keine Namen, James, auf gar keinen Fall.« Er streckte ihm die Hand entgegen, die Handfläche nach
oben. »Ich brauch ein bisschen Geld.«
»Ich brauch erst ein paar Antworten.«
»Dann nenn mir die Fragen. Aber zeig mir erst mal deinen guten Willen, eh?« Die Hand streckte
sich ihm immer noch erwartungsvoll entgegen. Rebus fand einen zerknitterten Zehner in seiner
Jacke und reichte ihn hinüber. Der Junge schien zufrieden. »Dafür kriegst du Antwort auf zwei
Fragen.«
Rebus' Zorn wuchs. »Dafür krieg ich so viele Antworten, wie ich will, sonst...«
»Fährst wohl auf Gewalt ab? Was?« Den Jungen schien das nicht sonderlich zu kümmern. Vielleicht
war ihm das alles hinreichend bekannt, sagte sich Rebus.
»Läuft hier viel in puncto Gewalt?«, fragte er.
»Nicht viel.« Der Junge zögerte. »Aber immer noch zu viel.«
»Ronnie machte so was, nicht wahr?«
»Das ist deine zweite Frage«, stellte der Junge fest. »Und die Antwort lautet: ich weiß es
nicht.«
»Das zählt nicht«, sagte Rebus. »Außerdem hab ich eh noch reichlich Fragen.«
»Okay, wenn das so ist...« Der Junge langte nach dem Türgriff und machte Anstalten, sich zu
verdrücken. Rebus packte ihn im Nacken und knallte ihn mit dem Kopf auf das Armaturenbrett, genau
zwischen seine beiden Füße, die immer noch dort ruhten.
»Mein Gott!« Der Junge fühlte, ob er Blut an der Stirn hatte. Es war keins da. Rebus war sehr
zufrieden mit sich ­ maximale Schockwirkung, minimal erkennbarer Schaden. »Sie können doch
nicht...«
»Ich kann alles machen, was ich will, mein Junge. Ich kann dich sogar über die höchste Brüstung
der Stadt stoßen. Und jetzt erzähl mir von Ronnie.«
»Ich kann Ihnen nichts über Ronnie erzählen.« Jetzt hatte er Tränen in den Augen. Er rieb sich
die Stirn, um den Schmerz zu lindern. »Dazu hab ich ihn nicht gut genug gekannt.«
»Dann erzähl mir, was du weißt.«
»Okay, okay.« Er wischte sich mit dem Ärmel seiner Jacke schniefend die Nase. »Ich weiß nur, dass
ein paar Freunde von mir in eine bestimmte Szene geraten sind.«
»Was für eine Szene?«
»Ich weiß nicht. Irgendwas Hartes. Sie reden nicht darüber, aber die Spuren sind nicht zu
übersehen. Blutergüsse, Schnittwunden. Einer von ihnen musste eine ganze Woche ins Krankenhaus.
Hat gesagt, er wär die Treppe runtergefallen. Gott, er sah aus, als wär er von 'nem Hochhaus
runtergefallen.«
»Aber niemand redet darüber?«
»Es muss irgendwie reichlich Geld dahinter stecken.«
»Sonst noch was?«
»Ist vielleicht nicht so wichtig...« Der Junge war gebrochen. Rebus hörte das an seiner Stimme.
Er würde von nun an bis zum Jüngsten Tag weiterreden. Das war gut, Rebus hatte nämlich nicht
allzu viele Ohren in diesem Teil der Stadt. Da könnte ein frisches Paar nicht schaden.
»Was denn?«, blaffte er. Jetzt genoss er seine Rolle.
»Fotos. Man munkelt, dass ein Interesse an Fotos besteht. Keine gestellten, sondern alles
echt.«
»Pornoaufnahmen?«
»Nehm ich an. Die Gerüchte waren ein bisschen vage. Wie das halt so ist mit Gerüchten, wenn man
sie über ein paar Umwege hört.«
»Wie bei der stillen Post«, sagte Rebus. Das Ganze ist wie bei einem Stille-Post-Spiel, dachte
er, alles aus zweiter und dritter Hand, keine absolut sicheren Beweise.
»Was?«
»Egal. Sonst noch was?«
Der Junge schüttelte den Kopf. Rebus griff in die Tasche und fand zu seiner eigenen Überraschung
einen weiteren Zehner. Dann fiel ihm ein, dass er irgendwann während seines Trinkgelages mit
McCall an einem Geldautomaten gewesen war. Er reichte dem Jungen den Schein.
»Hier. Und ich gebe dir meinen Namen und meine Telefonnummer. Ich bin immer offen für
Informationen, egal wie winzig sie sind. Tut mir übrigens leid mit deinem Kopf.«
Der Junge nahm das Geld. »Schon in Ordnung. Bin schon schlechter bezahlt worden.« Dann lächelte
er.
»Kann ich dich ein Stück mitnehmen?«
»Bis an die Brücken vielleicht?«
»Kein Problem. Wie heißt du?«
»James.«
»Tatsächlich?« Rebus lächelte.
»Ja wirklich.« Der Junge lächelte ebenfalls. »Hören Sie, da ist noch was.«
»Weiter, James.«
»Es ist bloß ein Name, den ich häufiger gehört hab. Vielleicht hat es ja auch nichts zu
bedeuten.«
»Ja?«
»Hyde.«
Rebus runzelte die Stirn. »Hide? Verstecken? Was verstecken?«
»Nein, Hyde.

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