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Daughter of Smoke and Bone

Daughter of Smoke and Bone

Titel: Daughter of Smoke and Bone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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ihre Nähe zu kommen, tänzelte sie zur Seite und stellte mit einer flinken, fließenden Bewegung den Abstand wieder her. Ihre Blicke trafen sich erneut, und Karou sah durch die erschreckende Schönheit des Mannes hindurch seine Unmenschlichkeit – die vollkommene Unbarmherzigkeit.
    Wieder griff er an. So schnell Karou auch war, gelang es ihr diesmal nicht, der Reichweite seines Schwertes zu entkommen. Ein Hieb, der auf ihre Kehle zielte, prallte von ihrem Schulterblatt ab. Sie spürte keinen Schmerz – der würde später einsetzen, vorausgesetzt, sie würde nicht sterben –, nur die Wärme ihres eigenen Blutes. Den nächsten Hieb konnte sie mit ihrer notdürftigen Waffe parieren, doch unter der Wucht des Schwertes splitterte das Holz wie Kienspan, und ein großer Teil brach ab, so dass sie nur noch eine Dolchlänge morsches Holz in der Hand hielt, kaum als Waffe geeignet. Doch als der Engel erneut angriff, stürzte sie sich auf ihn und stieß zu.
    Karou hatte schon früher Menschen erstochen, und sie hasste das Gefühl, wenn die Klinge in das Fleisch eines lebendigen Wesens eindrang. Sie wich zurück, der Holzdolch blieb in seiner Seite stecken. Sein Gesicht zeigte weder Schmerz noch Überraschung. Ein totes Gesicht, dachte Karou, als er sich ihr näherte. Oder eher das lebendige Gesicht einer toten Seele.
    Es war zutiefst grauenerregend.
    Nun hatte er sie endgültig in die Enge getrieben, und sie wussten beide, dass sie ihm nicht entkommen würde. Vage nahm sie erstaunte und verängstigte Rufe aus den Fenstern und dem hinteren Teil der Gasse wahr, doch all ihre Aufmerksamkeit galt dem Engel. Was genau war ein Engel überhaupt? Was hatte Izîl gesagt?
Die Seraphim sind hier.
    Sie hatte das Wort schon einmal gehört – Seraphim waren Engel von hohem Rang, so hieß es zumindest in der christlichen Mythologie, die Brimstone abgrundtief verachtete. »Die Menschen haben mit der Zeit ein paar Einblicke erhalten«, sagte er. »Gerade genug, um sich den Rest auszudenken. Das Ganze ist eine Flickendecke aus Märchen mit vereinzelten Stückchen Wahrheit.«
    »Und was ist real?«, hatte sie wissen wollen.
    »Real ist, was du töten kannst und was dich töten kann.«
    Dieser Definition zufolge war der Engel eindeutig real.
    Er hob sein Schwert, und sie sah ihm regungslos zu, wobei ihr Blick unwillkürlich auf die schwarzen Tätowierungen fiel, die seine Finger überzogen. Für einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl, die Zeichen zu erkennen, aber gleich darauf war es wieder weg, und ihr blieb nichts übrig, als ihrem Mörder entgegenzusehen und sich benommen zu fragen: Warum? Es schien ihr unmöglich, dass das hier der letzte Augenblick ihres Lebens sein sollte. Sie legte ihren Kopf schräg und suchte in dem schönen Gesicht verzweifelt nach irgendeinem Anzeichen einer Seele … und dann sah sie es.
    Er zögerte. Für den Bruchteil einer Sekunde verrutschte seine Maske, und der Sturm darunter wurde offenbar, eine Woge von Gefühlen, die seine starren, fast lächerlich perfekten Gesichtszüge weicher machten. Sein Kiefer entspannte sich, die Lippen öffneten sich leicht, und seine Stirn legte sich in Falten, als wäre er verwirrt.
    Im selben Moment spürte sie in ihren Handflächen erneut den Puls, den sie schon vorhin wahrgenommen hatte, als sie den Engel das erste Mal gesehen hatte. Er pochte noch immer an derselben Stelle, und auf einmal wusste Karou mit Bestimmtheit, dass er von ihren Tattoos ausging. Instinktiv hob sie die Hände, nicht als Geste der Kapitulation, sondern in Verteidigungsstellung, die Handflächen entschlossen nach vorn gerichtet, so dass die schwarzen Augen ihm entgegenzublicken schienen.
    Und da geschah etwas.
    Es war wie eine Detonation – als würde die Luft um sie herum eingesogen und dann schlagartig wieder ausgestoßen. Kein Laut, kein Licht – die gaffenden Zuschauer sahen überhaupt nichts, nur ein Mädchen, das die Hände in die Höhe hielt – doch Karou spürte es, und der Engel ebenfalls. Seine Augen weiteten sich, als er erkannte, was vor sich ging, dann wurde er mit gewaltiger Wucht gegen eine meterweit entfernte Wand geschleudert. Er ging zu Boden, die Flügel eingeknickt, und sein Schwert schlitterte davon. Karou rappelte sich auf.
    Der Engel regte sich nicht.
    Blitzschnell drehte sie sich um und sprintete davon. Was auch immer passiert war, es hatte eine unheimliche Stille ausgelöst. Sie konnte sich atmen hören, seltsam verstärkt, als würde sie durch einen Tunnel

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