Dave Duncan
blassen, alten blauen Augen – und ein Funkeln in eben diesen Augen konnte Inos jetzt manchmal richtig unsicher machen, so hatte sie sich schon daran gewöhnt, um sich herum nur Djinns zu sehen.
»Der Erste Löwentöter wirkt bemerkenswert entspannt«, sagte Kade.
»Oh, ich bin sicher, es braucht mehr als ein paar Straßenräuber, um Azak das Fürchten zu lehren… Nun, aus welcher Richtung kommt der Wind?«
Doch während die beiden sich mit geübter Handfertigkeit an die Arbeit machten, begann Kades Kommentar in Inos’ Verstand aufzuquellen wie Hefe in einem Bierfaß. Wochenlang hatten die Frauen der Karawane beklommen von den Gefahren des Gauntlet gesprochen. Hier, in der berüchtigten Oase Tall Cranes, waren sie mittendrin, und die meisten Leute waren sichtlich nervös. Die Frauen der Löwentöter murmelten heimlich über die schlechte Stimmung ihrer Männer, denn die Löwentöter waren in mehr als nur einer Hinsicht rotäugig, standen sie doch die ganze Nacht Wache und ritten den ganzen Tag auf dem Kamel.
Aber Azak hatte gelächelt?
Nun, warum nicht? Ganz gleich, wie gereizt der Rest der Reisenden war, Azak war von den bevorstehenden Gefahren ziemlich unbeeindruckt. Er hatte in seinen roten Bart hineingelacht und darauf hingewiesen, daß Scheich Elkarath den Gauntlet schon viele Male unversehrt durchquert hatte. Und natürlich war Inos klar, worauf er anspielte – daß dem alten Scheich niemals Gefahr von einfachen, weltlichen Banditen drohen würde.
Das mußte es auch sein, woran Kade gerade dachte.
Doch laut aussprechen sollte man das nicht. Kade war ungewöhnlich kühn gewesen, oder hatte einen starken Willen gehabt, überhaupt so viel zu erwähnen.
Inos sah sich auf dem Paß, in den schotterübersäten Hügeln und den steilen Gipfeln der Progisten um, die sich wie gigantische Legionäre dunkel gegen die untergehende Sonne abzeichneten. Es waren keine Kraniche in Sicht, weder große noch kleine, aber in der Oase Three Dragons – Drei Drachen – hatte es auch keine Drachen gegeben. Die Welt hatte sich verändert, seit man den Orten Namen gegeben hatte.
Sie warf einen finsteren Blick auf weiße Hütten, Bäume, die sehr umsorgt wurden, und auf den willkommenen kleinen See. Irgendein lange vergessener Zauberer hatte hier einen Strom gestaut, um diese Siedlung lebensfähig zu machen. Falls die Geschichten stimmten, hatte er damit eine langlebige Aristokratie von Wegelagerern gegründet und den Tod unzähliger, unschuldiger Reisender verursacht.
Nicht den von Elkarath.
Inos starrte nachdenklich ihre Tante an, die jetzt geschäftig auf einen Hering einhämmerte. Normalerweise sprach Kade nicht über den Scheich, auch nicht in versteckten Andeutungen. Azak tat das auch nicht, dachte Inos bei sich. Aber sie konnte sich an einige Male erinnern, als das Gespräch während der Reise ganz nahe an das Thema Magie gekommen war – und beide Male war es schon spät am Tag gewesen, so wie heute.
Ihre Augen gingen wieder zu der bedrohlichen Barriere der Berge. Hinter ihnen lag Thume, der Verwunschene Ort. Keiner ging dorthin.
Tatsächlich?
Und so…
Die Versuchung war unwiderstehlich. Was hatte sie schon zu verlieren?
Sie holte tief Luft, ignorierte das plötzliche heftige Pochen ihres Herzens und sah sich vorsichtig um, ob jemand in Hörweite war. In diesen wehenden zarkianischen Kleidern mit ihren weiten Kapuzen wußte eine Frau nie, wer vielleicht hinter ihr stand, aber das nächste Zelt zu ihrer Rechten stand bereits und war offensichtlich leer, seine Seitenwände waren aufgeklappt, um die Abendbrise hindurchwehen zu lassen. Das Zelt zur Linken wurde von einer schwatzenden Gruppe Jugendlicher errichtet – die Töchter des Sechsten Löwentöters.
»Einen Gefallen, Tante?«
Kade sah auf und nickte, und ihre blauen Augen blickten verwirrt; der Rest von ihr war unter ihrem Yashmak und den vielen Hüllen unsichtbar. »Heute abend richtest du dich nach mir? Ohne Widerrede?«
Die blauen Augen wurden weit und zogen sich dann schnell unter einem Stirnrunzeln zusammen. »Du planst doch nichts Impulsives, nicht wahr, Liebes?«
»Impulsiv? Ich? Natürlich nicht! Aber, bitte, Tante? Vertraust du mir?« »Das tue ich immer, Liebes«, antwortete Kade argwöhnisch.
Nichtsdestoweniger wußte Inos, daß ihre Tante kooperieren würde. »Nun, wenn du mich für einen Augenblick entbehren kannst… ich muß kurz mit Jarthia sprechen.« Sie wandte sich um und stapfte mühsam durch die Bäume davon.
Sie fühlte sich
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