Dave Duncan
nicht? »Aber selbst wenn Ihr… wenn Ihr mit diesen fertig werdet, könnte sich noch vor Morgengrauen eine ganze Armee von Pixies an uns heranschleichen?«
Der alte Mann schüttelte den Kopf und betrachtete das kondensierte Wasser auf seinem Kelch. »Bei Morgengrauen müssen wir verschwunden sein.«
Er machte keine Anstalten, sich näher zu erklären, und Inos spürte einen Stich Unbehagen.
Elkarath strahlte jedoch und lächelte seine beiden Gesprächspartnerinnen, wenn auch indirekt, an. »Sollen wir essen, meine Damen?« Drei silberne Teller erschienen funkelnd im Licht des Feuers, vollgehäuft mit duftendem Curry, Gemüse und schneeweißem Reis.
Inos wußte, daß sie hungrig war, doch ihr Inneres war immer noch sehr aufgewühlt. Aber sie hatte Elkaraths okkulte Beruhigung abgelehnt, also mußte sie den Anschein der Ruhe aufrechterhalten. Sie griff ins Essen und verbrannte sich prompt die Finger. Einige Minuten lang folgte Schweigen…
»Die… Rüpel… haben dir nichts getan, Tante?« fragte sie zwischen zwei Mundvoll.
»Nein, Liebes. Sie haben mir viele Fragen zugebrüllt, aber ich konnte nur ein Wort von vieren verstehen. Also gaben sie es auf.« Selbst in dem flackernden Licht des Feuers war Kades Erröten zu erkennen. »Ich fürchte, eine fette alte Frau war für sie nicht von Interesse. Du warst das, was sie wollten.« Sie sah ihre Nichte bange an. Inos hatte ihr versichert, daß ihr kein bleibender Schaden zugefügt worden war, aber trotzdem…
»Ihr habt Glück gehabt, daß sie Euch nicht sofort die Kehle durchgeschnitten haben, Hoheit«, bemerkte Elkarath ruhig.
»Aber ich gratuliere Euch zu Eurem Ablenkungsmanöver mit dem Pferd. Ich war nahe genug, um Euch beobachten zu können, aber nicht nahe genug, um Einfluß zu nehmen. Das war eine seltene Zurschaustellung von Mut und Reitkunst.«
Kade errötete noch mehr. »Man tut, was man kann«, murmelte sie. »Und ich gratuliere Euch auch zu Eurem Geschick im Thalispiel!«
»Du liebe Zeit!« Kade wurde dunkler, als Inos sie je gesehen hatte und vermied es, ihrer Nichte in die Augen zu sehen.
Der Scheich lachte leise in sich hinein. »Ihre Majestät die Sultana hat mich gewarnt, vor Euch auf der Hut zu sein. Ich gebe zu, ich war unvorsichtig geworden.«
Merkwürdig! Glaubte der Scheich, Kade hätte diesen kleinen Betrug geplant? Einen Augenblick lang war Inos versucht, ihren Anspruch dafür anzumelden, doch dann beschloß sie auf einmal, nichts zu sagen. Doch es war sonderbar! Warum hatte Rasha auf Kade achtgegeben?
Das Gespräch hatte einen gefährlichen Verlauf genommen. Eine Weile beschäftigten sich alle drei mit ihrem Essen, und die Stille wurde nur durch das geschäftige Knistern des Feuers unterbrochen. Flammendroter Rauch zog mit dem Wind davon, und Funken stiegen auf, um sich zu den Sternen zu gesellen. Inos zitterte immer noch, wenn sie an ihre Begegnung mit den Pixies dachte. Der Gedanke an eine ganze Gruppe war höchst beunruhigend, aber sie würde sich von Schatten keine Angst einjagen lassen, und wenn der alte Mann hoffte, sie aus der Fassung zu bringen, dann würde sie ihn enttäuschen. Sie redete sich selbst fest ein, daß eine Begegnung mit den sagenhaften Pixies eine Erfahrung sei, die man nur einmal im Leben machte, und dieses Picknick im Schein eines Feuers in einem Spukwald war zumindest ein erinnerungswürdiges Erlebnis. Sie brauchte keinen Zauber, um Spaß zu haben, auch wenn ihr Mund trockener schien als üblich und ihr das Schlucken schwerer fiel. »Dieses Curry ist hervorragend, Hoheit«, sagte sie.
»Danke sehr. Meine liebe Mutter hat es so gekocht, müßt Ihr wissen.«
»Und Ihr habt mich gelehrt, daß der Schutz eines Zauberers nicht so einfach abgelehnt werden sollte.«
»Ah!« Er seufzte. »Ich bin kein Zauberer, Ma’am. Im Augenblick wünschte ich wirklich, ich wäre einer. Einem Zauberer hättet Ihr nicht so leicht entkommen können.«
»Dann… Kein Zauberer?« Inos sah Kade an und sah eine Spiegelung ihrer eigenen Verwunderung.
»Ich bin nur ein Magier«, sagte Elkarath. »Wie mein Großvater zuvor und vor ihm der seine.«
»Und ein Jünger der Sultana Rasha, oder?«
Er nickte – traurig, wie sie fand. »So ist es. Sie spürte mich auf, bevor ich von ihrer Existenz wußte. Aber ich bin zufrieden damit, ihr zu dienen.«
Bei diesem Stichwort spürte Inos, angesichts der wohlwollenden Stimmung des alten Mannes, eine Chance, ihre seit langer Zeit bestehende Neugier über Magie zu befriedigen.
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