Dave Duncan
Flügel eines Vogels geschwungen. Er bewegte sich sehr schnell und hinterließ beinahe eine Bugwelle, er mußte zumindest so jung sein wie er aussah. Azak beobachtete ihn, während er sich auf die Reling stützte. Jetzt war der richtige Zeitpunkt!
Inos schritt hinüber und wedelte mit ihrem Brief unter seiner Nase herum. »Liebster?«
Jetzt kam es ihr nicht mehr sonderbar vor. Sie würde sich langsam zu immer leidenschaftlicheren Ausdrücken vorarbeiten, und vielleicht würde es sich bald natürlich anfühlen, diese Worte zu gebrauchen. Aufrichtigkeit durch Selbsthypnose…
»Meine Liebe?« Er lächelte beifällig – er wußte, was sie tat und schätzte ihre Bemühungen offenbar.
»Ich möchte gerne, daß dies hier an Kade geht, bitte? Mit Eurem Brief an Kar?«
»Natürlich.« Azak nahm den Brief in seine großen Schwertkämpferhände. »Ihr habt ihn versiegelt? Ich muß ihn lesen.«
Und jetzt…
Oder hatte er wirklich soeben gesagt, was sie zu hören geglaubt hatte? Ja, das hatte er. »Ihr vertraut mir nicht, Ehemann?«
Er lächelte höflich auf sie hinunter. »Es wird einige Zeit dauern, bis ich
Euch vertrauen kann, mein Liebling. Männer meines Landes schenken ihr Vertrauen nicht so leicht her.«
Wenn Du mir sagst, daß du mich liebst, werde ich dir sagen, daß ich dir vertraue.
Inos holte ein paarmal tief Luft und sagte dann so süß sie konnte: »Dann solltet Ihr ihn unbedingt lesen.«
Azak brach das Siegel. Er wandte sich um, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Reling und las den Brief. Plötzlich sah er auf, sein Gesicht so dunkel wie ein arktischer Sturm. »Ihr habt mit einem Seemann gesprochen?«
»Zana war dabei!« antwortete Inos eilig.
»Ah! Verzeihung!« Er las weiter, während Inos sich fragte, wieviel es kosten würde, Zana zu bestechen – wenn sie Geld hätte, was nicht der Fall war.
Azak kam zum Ende, nickte, faltete den Brief und ließ ihn in sein Gewand gleiten. »Er wird weitergegeben. Ihr seid diskret. Euch ist klar, daß seine Chancen, Arakkaran sicher zu erreichen, gering sind?«
»Wir können nichts anderes tun, als es versuchen.«
Er nickte. »Und macht Euch nicht die Mühe, für Euren jugendlichen Liebhaber zu bitten. Die Angelegenheit ist erledigt.«
Sie holte noch einmal, noch tiefer Luft. Sie legte ihre Hände auf die Reling, starrte auf die grünen Hänge der Hügel und zwang ihre Stimme, sanft und gleichmäßig zu klingen. »Ihr seid sehr unfair, Ehemann. Er war niemals mein Liebhaber. Ich hatte in der Vergangenheit keine Liebhaber, und ich habe geschworen, in Zukunft Euch treu zu sein. Eure Wortwahl nehme ich Euch übel.«
»Wir werden nicht länger darüber sprechen.«
Inos drehte sich auf dem Absatz um und ging davon, bevor sie etwas sagte, das alles nur noch schlimmer machen würde.
Eine ganze Weile schmollte sie in ihrer übelriechenden Kabine. Warum war Azak für vernünftige Argumente nicht zugänglich? Warum konnte er nicht erkennen, daß königliche Größe stets königliche Größe vergelten sollte?… daß Rap eine Marionette gewesen war… daß es höchst unfair war, ihn einzusperren… daß er ganz leicht auf das erste freie Schiff verfrachtet und für immer aus ihrem Leben verbannt werden konnte?
Wahnsinnig eifersüchtig! Das war die einzige Erklärung. Sobald es um sie ging, war Azak offensichtlich nicht mehr normal. Sie mußte lernen, sich jeden ihrer Schritte sorgfältig zu überlegen.
In der Zwischenzeit konnte sie dem Krach der elfischen Arbeiter lauschen, die die Fracht des Schiffes ausluden und Lebensmittel und Wasser sowie die Güter, die Ilrane exportierte, herbeibrachten. Flaschenzüge übertönten kreischend elfisches Gelächter. Das Ganze schien ziemlich unproduktiv, hier draußen auf dem Fluß – warum benutzten sie keine Kais wie in jedem normalen Hafen? Hatten die Elfen wirklich soviel Angst vor Spionen, oder machte es ihnen einfach Spaß, alles ein wenig kompliziert zu machen?
Schließlich hörte sie, wie Azak die Stimme erhob, und sie beschloß, wieder an Deck zu gehen. Sie ertappte Zana dabei, daß sie den Streit beobachtete. Fast die halbe Mannschaft, alle Passagiere und die meisten Elfen sahen zu. Nur die Elfen fanden den Streit offenbar lustig, denn Azak versuchte, ein Mädchen einzuschüchtern, das nur halb so groß war wie er und viel jünger, und er machte keinerlei Fortschritte.
»Wer ist das!« verlangte Inos zu wissen.
Das Mädchen war umwerfend schön, selbst für eine Elfin. Sie glänzte
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