Dave Duncan
wirken?
Auf den bequem gepolsterten Bänken im Inneren der Kutsche plauderten Prinzessin Kadolan und Doktor Sagorn über Belanglosigkeiten, nichts Wichtiges, miteinander, soweit es ein lauschender Magier bemerken konnte. Wenn Kade ihr Ziel erreichte, würde ihr Gefährte jedoch gewiß wieder Andor sein. Sicher war Sir Andor in dem Brief erwähnt worden, der mit einem Kurier am Morgen vorausgeschickt worden war, also wäre er auch heute abend wieder zur Stelle.
Das funktionierte natürlich nicht immer. Einige Male hatten sie in Gaststätten der Poststationen übernachtet, besonders kurz, nachdem sie Ollion verlassen hatten. Die Prinzessin hatte ihr ganzes Leben damit verbracht, in Kinvale Gäste zu unterhalten. Sie kannte Hunderte von Mitgliedern des imperialen Adels, je näher sie Hub kamen, um so mehr lebten von ihnen oder ihren Verwandten in der Nähe der Großen Oststraße. Die hießen sie wie eine lange verschollene Verwandte willkommen, bewirteten sie festlich und versuchten, sie zum Verweilen zu bewegen. Wenn ihnen das nicht gelang, schrieben sie Empfehlungen für ihre eigenen Freunde und Verwandten. Sie schickten Kuriere, um sie von Kades Kommen zu informieren. Kade fuhr wie eine Königin weiter von Herrenhaus zu Herrenhaus. Die Strohmatten und Steingutschalen der Gasthäuser waren Seidenlaken und goldenen Tellern gewichen.
Ihr Kutscher und ihr Lakai schliefen natürlich bei den Bediensteten, und das war beiden angenehm. Soweit es Gathmor betraf, war es auch Prinzessin Kadolan angenehm, doch sie versuchte immer wieder, Rap dazu zu überreden, eine vornehmere Rolle zu spielen. Ein Postmeister rechnete damit, mit den Pferden auch Postjungen zu vermieten, sagte sie. Sie würde nur zu gerne einen davon für ihre Equipage anheuern. Dann konnte Rap vielleicht ihr Sekretär sein oder ein Prinz aus Sysanasso auf Urlaub, falls er dies wünschte. Sie wußte es jetzt zu schätzen, daß er in der Lage war, alles nachzumachen, jeden in die Irre zu führen. Doch sie träumte immer noch davon, ihn bei der Hand zu nehmen und zu einem angemessenen Gefährten für Inos umzuformen. Doch Rap hatte höflich abgelehnt. Als sie ihn immer mehr gedrängt hatte, war er wieder stur geworden. Seine Vorahnung sagte ihm, daß ihm kein Glück beschieden war, doch es ging ihm weniger schlecht, wenn er so weit wie möglich er selbst blieb.
Ein Kurier der imperialen Post galoppierte vorbei und verschwand in den Sonnenuntergang. Rap zog an zwei dahinrumpelnden Wagen vorbei. Es herrschte stets starker Verkehr auf der Großen Straße. An jenem Morgen war eine ganze Legion vorbeimarschiert, fünftausend solide junge Männer auf dem Weg in den Krieg nach Osten, und sie sangen ein aufwühlendes Marschlied, mit erhobenen Köpfen und glänzenden Augen.
Rap hatte sich gefragt, wie viele von ihnen wohl zurückkehren würden, und ob sie sich wohl dasselbe fragten.
Er hatte sich gefragt, was es für ein Gefühl sein mußte, ein Schwert in der Armee des Imperators zu sein. Gab es einem Mann das Gefühl, wichtig zu sein? Oder eher unwichtig? Stark oder verletzlich? Stolz? Beschämt? Verängstigt? Er erinnerte sich daran, was die Gesetzlosen in Dragon Reach ihm über Freiheit erzählt hatten.
Eines brachte das Steuern eines Wagens mit sich: es gab einem Mann Zeit, seine Gedanken zu ordnen und zu sortieren.
Die imperialen Poststationen lagen ungefähr acht Wegstunden voneinander entfernt, normalerweise in kleinen Dörfern oder Marktstädtchen. Dort wechselte er für gewöhnlich sein Gespann. Die Stallknechte versuchten natürlich stets, ihn übers Ohr zu hauen. Sie waren darauf bedacht, auch einen Postillion zu vermieten, der die Pferde ritt und beharrten darauf, daß auch ein Faun nicht in der Lage sei, sechs Tiere vom Kutschbock aus zu lenken. Sie weigerten sich, ihm zu glauben, wenn er feststellte, daß ein Hufeisen schlecht saß oder eine Fessel wundgerieben war, bevor er noch den Fuß eines Tieres angehoben hatte. Also nutzte Rap ein wenig von seinen Fähigkeiten und bekam alles, was er wollte – und verachtete sich dafür.
Er war vorsichtig, denn überall gab es Magie. Uralte Ruinen und winzige Hütten zeigten immer noch schwache Überreste okkulter Schutzschilder. Hier und dort sah er Menschen, die von einem Schleier umgeben waren, der vermuten ließ, daß sie nicht die waren, für die sie sich ausgaben. In den Städten spürte er häufig die Schwingungen des Okkulten. Nachts in den prächtigen Häusern fühlte er, wie Sagorn in der Bibliothek
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