Dave Duncan
vielleicht ein guter Ersatz.
Doch Rap hatte recht gehabt. Monarchen warteten nicht gerne, und sie konnten bewaffnete Männer schicken. Ythbane griff zu diesem Mittel, und ehe sie es sich versah, wurde Inos mit fester Hand zurück auf den Wall geleitet und fand sich schließlich zwischen Azak und Kade unter dem Baldachin wieder, obwohl der Regenschauer so gut wie vorüber war. Auch Kalkor stand dabei, und seine schneeweißen Zähne blitzten aus dem mit rosa Streifen durchzogenen Gesicht. Er betrachtete sie mit einem zufriedenen Lächeln, das ihr völlig wahnsinnig vorkam.
Und Rap. Zwar hatten sie nicht wie ungezogene Kinder in einer Reihe vor dem Thron Aufstellung nehmen müssen, doch Inos hatte das Gefühl, es wäre angemessen gewesen. Epoxague stand bei ihnen und sogar Eigaze, obwohl sie gar nichts damit zu tun hatte, und selbst der unglückliche Husar, der eingewilligt hatte, Kade mitzubringen. Er wirkte ängstlicher als alle anderen.
Schließlich wurde Kade offiziell von Eigaze vorgestellt, die nun auch erklärte, warum Kade anwesend war. Die Höflinge waren jetzt eindeutig geteilt in jene, die mit Krasnegar zu tun hatten, und die große Mehrheit, die nicht in diese Angelegenheit verwickelt war. Die meisten der Unbeteiligten standen notgedrungen außerhalb des Baldachins und zeigten ganz offen ihren Zorn über diesen neuen Status.
Der kleine Prinz starrte auf seine Schuhspitzen und zitterte und ignorierte alles, was um ihn herum vor sich ging.
Ythbane nickte Kade beifällig zu. »Ja, in allen Berichten wurde davon gesprochen, daß Inosolan von ihrer Tante begleitet wurde. Offensichtlich habt Ihr ein paar merkwürdige Abenteuer erlebt, Ma’am.« Kade versteckte ihre Gedanken hinter einem gezierten Lächeln. »Aber keines war aufregender als dieser Moment, Eure Hoheit!«
Nachdem die Förmlichkeiten erledigt waren, wurde ihr mit einer Geste bedeutet, sie möge sich zurückziehen. Der Husar mit dem bleichen Gesicht wurde entschuldigt, und er ging mit langen Schritten davon. Freudlos blickte der Regent auf Epoxague.
»Nun, Eure Eminenz? Haltet Ihr noch weitere Überraschungen für mich bereit, um mir den Tag zu versüßen?«
»Nein, Eure Hoheit. Ich bin mittlerweile selbst überrascht.«
»Ihr werdet vielleicht noch mehr staunen«, erwiderte Ythbane scharf. »Dies ist wohl kaum der Ort…« Einen Augenblick lang schweifte seine Aufmerksamkeit über die riesige Menge, die um den Campus herumstand. Sie nahm jetzt ganz offensichtlich ab. Einige Menschentrauben ließen Opfer vermuten, doch eine Katastrophe hatte es nicht gegeben. Die Straßen würden jedoch noch für eine Weile unpassierbar bleiben. Er zuckte die Achseln.
»Wir können genausogut anfangen. Und wer ist dieser junge Mann? Ein
Freund der Kobolde offensichtlich. Ein Faun?« Er sah sich um. »Jotnar und ein Djinn. Ein Troll! Das ist ja eine bunte Mischung!«
Eilig ergriff Kade das Wort. »Sein Name ist Rap, Eure Hoheit, ein Gefolgsmann meines verstorbenen Bruders. Er hat mich auf meinen Reisen begleitet.«
Sehr gut gemacht! Der Regent nickte und verlor das Interesse an Rap. Wie gut, daß Inos ihn nicht umarmt hatte!
Aber warum hatte Inos ihn nicht umarmt? Sie hatte ihre Arme ausgebreitet und war dann irgendwie abgelenkt oder aufgehalten worden. Hatte Rap dafür gesorgt? Das sprach natürlich für Zauberei. Und er hatte nicht erzählt, wie er aus Azaks Gefängnis entkommen war, obwohl Azaks schreckliche Geschichte offensichtlich nur ein Haufen Lügen gewesen war. Diese merkwürdige Melancholie… drückte Rap der Gedanke nieder, daß er sich mit Kalkor duellieren mußte? Sie wußte, sie hätte ihn nicht anstarren sollen, aber ihre Augen gehorchten ihr nicht. Rap selbst schien sich den alten Imperator genauer anzusehen, der auf seiner Sänfte schlief, wie ein runzeliger Leichnam in einem fadenscheinigen Wollumpen, dem jetzt alle Ereignisse des großartigen Königreiches, das er so lange regiert hatte, gleichgültig waren.
»Sultana Inosolan!« Ythbane heftete einen funkelnden Blick auf Inos, und sie zuckte zusammen. Sie wurde sich plötzlich bewußt, daß der angebliche Einfluß des Regenten auf Frauen kein Mythos war. Er war klein und sah nicht besonders gut aus, dennoch dominierte er die anwesenden Mitglieder des Hofes weit mehr, als ein Thron oder die vielen Juwelen und sein Putz bewirken konnten. Trotz des absurden Holzstuhles und des häßlichen Baldachins über seinem Kopf strahlte er Macht und Würde aus. Alle schwiegen. Nur Kalkor
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