Dave Duncan
er es versuchte. Falls dieses andere Schicksal ihn davor bewahrte, in der Hütte der Kobolde zu sterben, dann war es vielleicht eine gute Sache. Allerdings bezweifelte er, daß die Kobolde ihm mehr Qualen auferlegen konnten als die, die er in dem weißen Nebel verspürt hatte.
Bis dahin gab es für ihn nichts weiter zu tun, als so schnell wie möglich zu laufen. Selbst nachdem er den Palast verlassen hatte, gelang es ihm nicht immer, weltlich zu bleiben. Gelegentlich riefen ihn, einen einsamen Mann, der bei Nacht durch die Straßen lief, Patrouillen der Legionäre an. In den engeren Straßen bewegten sich undeutliche Schatten scheinbar auf ihn zu, Handeln vor Fragen. Jedesmal belegte er sich selbst einfach mit einem Bann, der die Aufmerksamkeit von sich ablenkte, und rannte ungehindert weiter.
Er versuchte, nicht an Inos zu denken.
Arme Inos! Wie diese lustvollen Gedanken sie verwirrt hatten! Es war ihm zuwider, ein Magier zu sein. Falls die Wächter ihren Mann von seinem Fluch befreiten, wäre sie bald wieder sicher zurück in Arakkaran und könnte das Leben genießen, das sie freiwillig gewählt hatte, bevor Rap hineingestolpert war. Mit der Zeit würde sie ihn vergessen.
Statt dessen dachte er an Kalkor. Er ließ die Wut heraus, die er seit Stunden in sich angestaut hatte und ließ sich von dem Haß vorwärtstreiben. Die Schmerzen kamen zuerst in seinen Beinen, und dann brannten sie in seiner Brust; dachte er an Kalkor, gab seine Wut ihm die Kraft weiterzulaufen.
Der Faun in ihm verschwand. Nur der Jotunn regierte, ritt tobend und rasend seine Seele. Im selben Maße, wie sich Müdigkeit und Erschöpfung aufstauten, stieg auch seine Mordlust. Seit seiner Kindheit war er nur ein einziges Mal in Wut geraten – beinahe –, und zwar in Durthing. Dieser Wutanfall hatte ihm Angst eingejagt, doch hatte er ihn immer noch nicht gelehrt, was es bedeutete, ein Jotunn in Rage zu sein. Jetzt spürte er es zum ersten Mal mit aller Gewalt. Es war wunderbar, unwiderstehlich, berauschend. Hinterher würde er es vielleicht für den Rest seines Lebens bereuen, doch jetzt spielte das keine Rolle. Nichts spielte eine Rolle.
Blut, Zerstörung, Befriedigung… nur das zählte.
Als er bei dem ersten, nördlichsten der fünf Hügel und dem abgeschirmten Geheimnis des Weißen Palastes ankam, war ein milchiger Sonnenaufgang über dem wäßrigen Himmel zu sehen. In der Stadt setzte der Verkehr ein und überschwemmte die regennassen Straßen mit Wagen und Eleven, die früh aufgestanden waren. Alle, mit denen er sprach, beantworteten bereitwillig und schnell seine Fragen, und schließlich fand er jemanden, der ihn zu dem Ort brachte, den er suchte.
Es handelte sich um ein großes, heruntergekommenes Gebäude, das auf einem verwilderten Grundstück stand, ein Relikt des Wohlstands in einem Gebiet, das langsam verwahrloste. Männer und sogar Familien kamen und gingen, doch der Eigentümer dieses Anwesens war unsterblich.
Falls Rap falsch geraten hatte und seine Beute auf dem Langschiff schlief, das auf dem See vertäut lag, dann war er ein toter Faun.
Er kletterte schneller über die Mauer der Nordland-Botschaft als eine Katze und sprang auf ein Grundstück, das einmal wohlgepflegt gewesen war und nun unter Bäumen versank. Es gab keine Hunde – echte Jotnar verachteten sie –, doch Hunde wären sowieso kein Problem gewesen. Das Problem war Kalkor. Es war weniger riskant gewesen, in den OpalPalast einzubrechen; hier aber war irgendwo ein Zauberer, und wenn Rap seinen Verstand auch nur mit seiner Sehergabe berührte, würde ihn das vielleicht aufwecken.
Rap schlurfte mit schmerzenden Füßen durch das durchnäßte Unterholz des vergessenen Gartens und überprüfte derweil das große Haus, das vor ihm lag. Im Osten verzierte bereits ein gelber Streifen unter den Wolken den Himmel. Selbst ein Than würde wohl kaum an einem Tag verschlafen, an dem er ein tödliches Duell ausfechten mußte.
Die Sehergabe erkannte nichts in den großen Schlafgemächern, doch ein Nordländer verschmähte diese vielleicht als dekadent. Rap richtete seine Aufmerksamkeit auf den hinteren Teil des Hauses, den früheren Dienstbotentrakt, und dort fand er Than Kalkor bereits wach bei einer Beschäftigung, von der er sich nicht so leicht ablenken lassen würde. Es war gut möglich, daß er danach noch einmal schlafen ging – Rap konnte sich also auf seine wichtigste Beute konzentrieren. Rasch überprüfte er die anderen Zimmer. In dem großen weitläufigen
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