Dave Duncan
vergiftetes Messer. »Maya, meine Liebe, dein Schwiegervater ist erschöpft. Warum hilfst du ihm nicht zu dem Stuhl, den wir für ihn bereitgestellt haben?« Er zeigte mit seinem Schwert auf einen einfachen Holzstuhl, der weit zurückgesetzt und kaum sichtbar im Dunkeln stand.
Seine Frau schmollte mit säuerlichem, mißbilligendem Gesicht erst ihn, dann ihren Schwiegervater an. Sie rührte sich nicht.
Rap erkannte überrascht, daß seine Hand auf Shandies Schulter stärker zitterte als die Schulter. Der Junge bemerkte es offenbar gleichzeitig und sah fragend zu ihm auf.
Ythbane bemerkte die Bewegung. Er lächelte seinen Stiefsohn an wie eine Schlange die Maus. »Und wir haben auch einen Stuhl für den kleinen Shandie! Komm und setz dich zu uns, Sohn.«
Sowohl durch den Prinzen als auch durch den Zauberer lief ein Zittern. »Ich habe eine Frage!« bellte Rap. »Habt Ihr diesen Jungen geschlagen?«
»Ich schlage ihn immer nach offiziellen Zeremonien«, antwortete Ythbane tonlos. »Fast immer.«
Rap hatte diese Frage ganz impulsiv gestellt und eine Antwort beinahe unbewußt erzwungen. Verwirrt über die Antwort hakte er nach. »Aus welchem Grund?«
»Ich sage ihm, daß er gezappelt hat, doch in Wirklichkeit will ich ihm Angst vor jeder Art formeller Zeremonie machen, damit er, wenn er volljährig wird, glücklich ist, die Führung der Staatsgeschäfte mir zu überlassen.«
Der Faun in Rap erschauerte vor Entsetzen, und der Jotunn in ihm ballte innerlich die Fäuste. »Ihr habt Spaß dabei?« fragte er barsch.
»Ja.« Das Wort lag wie Gestank in der Nebenwelt.
»Und was war das für eine Medizin, die Ihr ihm gegeben habt?«
»Eine weitere Vorsichtsmaßnahme, ein elfisches Gebräu aus Mohn und Narkotika, es entkräftet und macht garantiert abhängig. Er ist bereits süchtig danach und kann damit sogar als Erwachsener leicht kontrolliert werden.«
Ausgeburt des Bösen! Rap sah triumphierend die Zuschauer an, um zu sehen, welche Wirkung dieses abscheuliche Geständnis auf sie hatte.
So gut wie gar keine. Man hatte also einen Jungen gepeitscht? Jeder einzelne der anwesenden Männer war in seiner Jugend oft genug geschlagen worden; keiner von ihnen hatte Shandies Verletzungen gesehen. Epoxague und auch einige andere runzelten die Stirn, doch sie würden ihre politische Einstellung nicht wegen einiger Worte ändern, die in Gegenwart eines Zauberers gemacht worden waren.
Ythbane wurde rot vor Zorn, als die Wahrheitstrance nachließ.
»Wir schätzen, daß es die Wächter interessieren wird, was soeben geschehen ist!« fuhr er Rap an. Er hob das Schwert, um gegen den kleinen Schild an seinem linken Arm zu schlagen. Plötzlich zögerte er, und seine Augen funkelten. »Komm her, Shandie!«
Shandie zuckte zusammen. Rap verstärkte seinen Griff, um zu verhindern, daß Shandie sich bewegte.
»Nun gut!« Ythbane holte aus.
Er war ein menschliches Reptil, das Raps dummen Ausbruch der Zauberei überhaupt erst provoziert hatte, und diese Dummheit hatte zu nichts geführt. Die Ereignisse dieses Tages hatten die Position des Regenten höchstwahrscheinlich noch gestärkt. Jetzt sonnte er sich in seinen bösen Taten, würde vermutlich vollständig triumphieren und sogar Shandie zurückgewinnen, dieses unschuldige Pfand, den Preis, eine Puppe…
Unerträglich! Rap schlug mit Magie nach Ythbane, wie ein normalsterblicher Mann mit einem Stock gegen hohes Schilf schlagen würde. Der Regent fiel über den niedrigen Podest und schlug dahinter auf dem Boden auf. Der Schild klirrte, und das Schwert flog scheppernd in die Dunkelheit. Uomaya kreischte los, und einige andere schrien ebenfalls. Shandie jauchzte und hüpfte vor Freude.
Ythbane versuchte aufzustehen, und Rap schlug ihn ein zweites Mal in dem Wissen, daß er den Mann schnell bewußtlos machen mußte, oder er würde ihn in seiner Jotunnwut ganz gewiß töten.
Der Regent lag bewegungslos da, und Blut lief aus seinem Mund. Schon besser!
Die Zuschauer waren wie versteinert.
Inos starrte Rap zornig an. Idiot! sagten ihren Augen. Jetzt hast du es wirklich geschafft, mein Junge. Damit hatte sie definitiv recht. Den Regenten von seinem Thron hinunter stoßen – seit dreitausend Jahren hatte es vermutlich keine schlimmere Entweihung von Emines Rundhalle gegeben.
Emshandar bewegte sich als erster. Er schlurfte zu dem am Boden liegenden Ythbane hinüber und beugte sich hinunter, um an dem Schild zu zerren, der locker unter dem schlaffen Arm lag. Dann ging er davon in die
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