Dave Duncan
Anführerin, vorbei.
Sie sah sich nach Rap um und erspähte ihn unter sich in der Ecke zwischen den Stufen und der Mauer zur Waffenkammer. Er stand vornübergebeugt und konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Sie konnte sich nicht erinnern, Rap jemals so lachen gesehen zu haben. Wütend schmetterte sie ihm die Fackel entgegen.
»Idiot! Da drinnen werden Menschen getötet! Tu was!«
Geschickt wie ein Grashüpfer sprang er neben sie. Er hatte aufgehört zu lachen, doch um seinen Mund lag das alte, vertraute Grinsen. »Willst du, daß ich sie zurückhole, damit sie sich deine flammende Rede anhören?«
»Nein – natürlich hatte ich unrecht! Aber laß uns hineingehen!« »In Ordnung«, erwiderte er heiter und brachte sich und Inos in den Thronsaal. Entsetzen!
Es war ein guter Aussichtspunkt. Die Feiernden in der Großen Halle waren sich soeben der Gefahr, in der sie schwebten, bewußt geworden. Es gab viel Geschrei und Verwirrung. Die Jotnar zogen Helme und Schwertgürtel an – manche sogar ein paar Kleider. Das Orchester hielt im Spiel inne. Da brachen die großen Türen auf, und eine Welle von Schwertern und qualmenden Fackeln ergoß sich in die Halle – eine regelrechte Flutwelle von Männern.
Inos warf ihren dicken Mantel ab und entledigte sich mit einer einzigen Bewegung ihrer Handschuhe und Stiefel. »Schuhe!« verlangte sie. »Einfach so? Wie wäre es mit ein wenig Respekt?« Doch Rap zauberte Schuhe an ihre Füße. Sie zwickten an ihren Zehen.
Die jungen Jotnar waren keine Feiglinge, und als ausgebildete Kämpfer wußten sie, was sie zu tun hatten, wenn sie in eine Falle gerieten. Eilig ordneten sie sich keilförmig an und griffen die Invasoren an, doch es war zu spät, die Türen zu besetzen. Bedienstete, Musiker und Mädchen flohen schreiend vor dem sich abzeichnenden Kampfgetümmel. Der einzige Ort, der zeitweise Schutz bot, war der Thronsaal. Hinter ihnen hallte die Große Halle von den Schlägen der Schwerter wider. Männer brüllten Flüche und schrien herausfordernd. Tische und Bänke wurden umgestoßen, Geschirr fiel zu Boden und zerbarst, Körper fielen in die Scherben.
Das erste nackte Mädchen, das herausgelaufen kam, war Uki, die jüngste Tochter des Müllers. Inos warf ihr ihren Mantel zu, kletterte auf einen Stuhl und erhob ihre Arme, um die anderen willkommen zu heißen. Der in Panik geratene Mob kam stolpernd zum Stehen und starrte sie ungläubig an.
Einige Stimmen schrien »Inos!« und »Die Prinzessin!«
»Ich bin Eure Königin, und Krasnegar ist frei!«
Über das Kampfgetümmel, das aus der Halle drang, waren ihre Antworten kaum zu hören. Inos zeigte auf die Tür, die zu den Stufen führte. »Das Zimmer dort oben ist warm!« schrie sie und hoffte, daß Rap den Wink verstand. »Die Frauen nach oben!« Die Mädchen, die näher bei ihr standen, hörten ihre Worte und rannten davon. Die anderen folgten ihnen und sammelten sich an der Tür wie eine sich windende Masse nackten Fleisches. Die Männer, einschließlich Rap, beobachteten interessiert diese Vorstellung.
Inos machte sich mehr Sorgen um den Kampf, der jenseits der Tür stattfand. Sie konnte Blut sehen, das im flackernden Licht der Fackeln entsetzlich hell leuchtete, und Männer, die zu Boden fielen. Keiner hatte eine Rüstung. Doch das pure zahlenmäßige Übergewicht trug allmählich den Sieg davon, die Bürger waren jetzt aufgewiegelt, und sogar die Imps schleuderten den sich im Rückzug befindlichen Banditen Jotunnkriegsrufe entgegen. In wenigen Augenblicken würde alles vorbei sein.
Sie hob ihren Rock und sprang vom Stuhl hinunter, rannte zum Thron und vertraute darauf, daß ihr Hofzauberer ihr folgen würde. Als sie auf das scharlachrote Kissen hüpfte, fragte sie sich, was ihr Vater von der ganzen Sache gehalten hätte. Sie hoffte, daß Kade recht hatte und er jetzt ein ganz klein wenig stolz auf sie gewesen wäre.
Das Getümmel löste sich langsam auf, als ein letzter halbnackter Jotunn beinahe von drei Imps gleichzeitig in Stücke geschlagen wurde. Die Schreie in der Halle verebbten, obwohl draußen vor der Tür noch eine große Menge schreiend Einlaß begehrte.
Rap stand bei ihr neben dem Thron. Sie streckte die Hand aus und zerwühlte sein Haar. Es war von Reif überzogen. »Die Glocke?« Plötzlich erklang dröhnend die große Glocke der Burg.
»Mögen die Götter die Königin schützen!« schrie eine Stimme, andere nahmen die Worte auf. »Mögen die Götter die Königin schützen!« Bumm!
Bumm! in der
Weitere Kostenlose Bücher