Dave Duncan
zu nehmen. Die etablierten Bürger, Kaufleute, Handwerker – diese Männer mußte sie auf ihre Seite ziehen, und diese Männer würden auch ihre Gegner sein. Alle jubelnden, blutbespritzten Schmiede des ganzen Königreiches mit ihren Kindergesichtern zählten nichts im Vergleich zum Verwalter oder einem reichen Fischhändler. Eines hatte sich in all der Zeit nicht geändert: Foronod war immer noch die Schlüsselfigur.
»Verwalter Foronod!« rief sie, als er langsam näher kam. »Welch ein Anblick für meine schmerzenden Augen! Nein, kniet nicht nieder!« Das eisblaue Auge zwinkerte wütend. Ein Kniefall war das letzte, woran er gedacht hatte. Inos hielt ihm ihre Hand zum Kuß hin.
Er ignorierte sie. »Dieses Mal keine Imperiale Armee?« bellte er. Sein Leiden hatte seinen Geist offensichtlich nicht gebrochen, und auch seine Manieren hatten sich nicht gebessert.
»Der Imperator hat mich als Königin von Krasnegar anerkannt! Ich habe einen unterzeichneten Nichtangriffspakt zwischen seinem und meinem Königreich bei mir.« Sie sah, wie die Imps auf diese Worte reagierten.
»Und Than Kalkor? Was geschieht, wenn er davon hört?«
Sie hatte diese Frage erwartet und konnte sich kaum ein triumphierendes Lächeln verkneifen. Dieses Mal war sie viel besser vorbereitet als damals, als man Andor entlarvte und ihr Vater noch nicht im Grab lag.
»Than Kalkor ist tot. Ich sah, wie er von den Göttern gerichtet wurde.« Die Jotnar wichen zurück. Die Imps strahlten.
Foronod erholte sich schnell. »Und wer ist sein Nachfolger?«
Senator Epoxague hatte genau diese Frage in ihrem Namen dem Botschafter Krushjor gestellt.
»Das ist noch nicht sicher. Es gibt sehr viele Anwärter, und es könnte Jahre dauern, bis sie sich gegenseitig umgebracht haben. Vergeßt Kalkors Linie, Foronod. Ich bin hier durch Erbrecht die rechtmäßige Königin
– oder wenn Ihr es vorzieht, auch durch Eroberung. Ich bringe den Frieden mit unseren Nachbarn mit mir und wünsche Frieden unter uns. Ich verlange…« Was sollte sie verlangen? Sie konnte sich an keine Zeremonie der Anerkennung oder des Loyalitätsschwures im bäuerlichen kleinen Krasnegar erinnern. »Ich brauche Euch, Master Foronod.«
Sie sah, wie er mit sich rang. Doch welche Alternative hatte er? Er betete vermutlich schon seit Monaten täglich, daß Kalkor ankommen und sich als besser als sein abscheulicher Bruder herausstellen möge. Vergeblich war diese Hoffnung gewesen, hätte der Verwalter das doch nur erkannt! Aber jetzt hatte sie ihm sogar diese winzige Chance genommen. Wenn er keinen König vor Ort ernennen wollte, wie zum Beispiel sich selbst, war sie jetzt die einzige Anwärterin. Und die jungen Männer standen hinter ihr.
Foronod kam mit seinem Stock ein Stückchen vorwärts. Er lehnte sich schwer auf die Krücke, ergriff Inos’ Hand und hob sie an seine trockenen Lippen. »Ich bin der loyale und gehorsame Diener Eurer Majestät, und heiße Euch von ganzem Herzen willkommen.« Dann richtete er sich auf und trat wieder zurück. »Mögen die Götter die Königin schützen!« fügte er wie einen Nachgedanken hinzu, und dabei schürzte er die Lippen, als schmerzten diese Worte ihn.
Es war eine deutliche Kapitulation. »Wie für meinen… unseren… Vater, so werdet Ihr auch für mich immer einer unserer… äh… mein Berater sein, dem ich am meisten vertraue und schätze, Verwalter.« Ein wenig Durcheinander, ihr fehlte noch die Übung.
Sie erkannte einen der älteren Imps, einen Kaufmann, dessen Namen sie vergessen hatte. Er war irgend jemand Wichtiges im Importgeschäft, das wußte sie, und er war ebenfalls Mitglied des Rates gewesen. Sie kletterte vom Thron und setzte sich auf das scharlachrote Kissen. Rap streckte die Hand aus und legte ihr ein kleines Kniekissen zu Füßen.
Inos sah den Kaufmann erwartungsvoll an.
Er schlurfte nach vorne und fiel vor ihr auf die Knie.
2
Im Winter gab es in Krasnegar fast kein Tageslicht, doch der Vollmond wanderte über den ganzen Himmel. Die Stadt strahlte Gelassenheit aus, es gab nur wenige Uhren, und Inos hatte jedes Zeitgefühl verloren. Es gab soviel zu tun, daß sie sogar vergaß, zu essen oder zu schlafen oder sich auch nur hinzusetzen.
Rap bekam sie kaum einmal zu Gesicht; gelegentlich tauchte er auf und befahl sie an den Tisch. Dann schluckte sie alles, was es zu essen gab, ohne zu bemerken, was sie in sich hineinstopfte. Selbst in diesen Augenblicken ließ der Aufruhr ihr keine Ruhe. So viele waren tot – sie war
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