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Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
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Tatsächlich lag nicht sehr viel Schnee auf dem Boden. Krasnegar war ziemlich trocken, und der Schnee schien nur deshalb eindrucksvoll, weil der Wind jede Schneeflocke das zehnfache ihrer Arbeit tun ließ. Offene Flächen waren beinahe leergefegt, und Schneewehen bildeten sich nur im Windschatten von Hindernissen. Je größer sein Selbstvertrauen, desto geringer seine Kopfschmerzen – vielleicht war das auch nur die Wirkung der klaren, eisigen Luft. Ihr Weg verlief nicht so direkt wie im Sommer, aber sie kamen stetig vorwärts in Richtung auf die Hügel; vier Pferde bliesen dicke Atemwolken ins Mondlicht, das Klirren des Zaumzeugs vermischte sich mit dem Knirschen des Schnees, und ihre Schatten leisteten ihnen Gesellschaft.

    Wie die Sonne den sommerlichen Himmel in Krasnegar beherrschte, so hatte der Mond im Winter die Oberhand. Der Vollmond ging kaum unter; er wanderte hoch über den Himmel und duckte sich nur kurz unter den nördlichen Horizont, um sich vor der aufgehenden Sonne zu verstecken. Jetzt aber nahm der Mond ab, und es würde bald Neumond sein. Doch selbst mitten im Winter würde es ein wenig Tageslicht geben, und mit frechem, neuem Selbstbewußtsein wußte Rap, daß er vielleicht überhaupt kein Licht brauchte.
    Sie machten ihre erste Pause in demselben Tal, in dem er viele Monate zuvor Jalon den Spielmann getroffen hatte, doch jetzt wirkte die Landschaft durch den Schnee und das Spektrallicht seltsam verändert. So weit von der Küste war es nicht sehr wahrscheinlich, daß sie auf Bären trafen, weil Bären Seehunde den Menschen als Nahrung vorzogen.
    Rap holte unter einem Getreidesack eine Feldflasche hervor, die durch Dancers Körperhitze nicht eingefroren war.
    »Vorsichtig«, warnte er, als er sie Andor reichte. »Sie wird sonst an deinen Lippen festfrieren.« Er verspürte einen unwürdigen Anflug von Stolz auf sein überragendes Wissen – der Jotunn, der den Imp führt.
    Sie kauten gepreßtes Dörrfleisch und streuten für die Ponies ein wenig Hafer in den Schnee. Rap murmelte angesichts ihrer aufgerissenen Fesseln vor sich hin, kratzte den festgebackenen Schnee aus ihren Hufen und entfernte vorsichtig die Eiszapfen von ihren Nüstern. Er lachte beinahe laut vor lauter Aufregung, belebt durch das Abenteuer und das Gefühl, auf der Flucht zu sein. Krasnegar war ihm ein Gefängnis gewesen – er war ausgebrochen in die Freiheit. Er gab sich selbst ein Versprechen: diese Reise würde der Anfang seines Mannesalters sein. Wäre die Luft nicht so kalt gewesen, hätte er vielleicht gesungen.

    Sie kampierten an einem Torffeuer unter dem großartigen Sternenzelt. Falls es eine Möglichkeit gab, ein Zelt aufzubauen, wenn der Boden hart wie Stein war, dann kannte Rap sie nicht. Schließlich benutzten sie ihr Zelt als riesigen Schlafsack, legten das Bettzeug hinein und kuschelten sich zusammen.
    »Das macht Spaß!« sagte Rap mit fester Stimme.
     
    »Große Götter!« murmelte Andor. »Er ist verrückt.« Nach einer Minute fügte er hinzu: »Aber es ist mal etwas anderes, das gebe ich zu.« Nach einer weiteren Minute flüsterte Rap: »Andor? Hast du jemals ein solches Abenteuer erlebt?«
     
    »Ich bin nicht sicher. Ich erzähle es dir hinterher, diesmal könnte alles anders kommen.«
    »Wieso?«
»Weil ich die anderen überlebt habe.«
    Ungefähr zwei Stunden vor Mittag tauchte im Süden ein schwacher Schein auf und wurde langsam zur Dämmerung und schließlich zu einem dämmerigen, nebligen Tageslicht. Einige Minuten lang zeigten sich die Ränder der Sonne. Bald war sie wieder verschwunden, und der Tag schwand so langsam dahin, wie er gekommen war.
    Das Moor war schwierig, der rauhe Untergrund von Schneewehen übersät, der beste Weg wand sich wie eine gedrehte Kordel. Doch jetzt schmerzte Raps Kopf überhaupt nicht mehr, und er konnte die sicherste Route erkennen, ohne überhaupt nachdenken zu müssen.
    Einmal sahen sie an jenem Tag weit entfernt ein paar Wölfe, zumindest Rap sah sie, aber sie machten sich in die verschwommene Ferne davon, ohne Anzeichen, daß sie überhaupt an einen Angriff dachten.
    Wenn das Wetter sich hielt… und es hielt sich. Am dritten Tag, während man in Krasnegar das Winterfest feierte, verließen sie langsam das Moor, und die ersten kümmerlichen Bäume kamen als Vorboten der Taiga in Sicht. Hier war der Machtbereich des Königs von Krasnegar zu Ende. Vor ihnen lag ein Land, das weder er noch der Imperator beanspruchen konnten. Dennoch war es kein Niemandsland. Bäume

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