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David Trevellyan 01 - Ohne Reue

Titel: David Trevellyan 01 - Ohne Reue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Grant
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die Leute neigen dazu, einem die Antworten zu geben, von denen sie meinen, dass man sie hören will. Und sie müssen sich schon ziemlich sicher sein, um es zu wagen, einem zu widersprechen, besonders, wenn man ihre Gehälter bezahlt. Deshalb macht die Navy manche Tests umgekehrt. Man muss durchfallen, um zu bestehen. Und bei diesem Test war ich mit Glanz und Gloria durchgefallen.
    Also hat mir der Psychologe letztlich, ob absichtlich oder unabsichtlich, einen Gefallen getan. Einen riesigen Gefallen. Er hat mir den Weg geebnet, allein zu arbeiten. Das machte mich unabhängig von anderen Leuten und von dem Gefühl der Verantwortung für andere.
    Zumindest bis Tanya verschwand.
    In dem Moment war es vorbei mit dieser Unabhängigkeit.
    Der Nachtportier in Tanyas Haus gab sofort nach, als er meinen Konsulatsausweis sah, und rückte ihre Ersatzschlüssel heraus. Er bat mich nicht einmal, den Finger vom Ablaufdatum des Ausweises zu nehmen. Zum Glück, denn der war seit Sonntag um Mitternacht ungültig.
    In den Fluren und Aufzügen zu Tanyas Wohnung begegnete mir niemand. Es war auch niemand von der Polizei da, der Untersuchungen durchführte. Vielleicht waren sie bereits fertig und hatten nichts gefunden. Vielleicht hatten sie auch noch gar nicht angefangen. Auf jeden Fall war es nicht ermutigend.
    Am Schloss der Wohnungstür war ein frischer Kratzer in der grauen Farbe, etwa einen Zentimeter lang und leicht gebogen, als wäre jemand unvorsichtig mit dem Schlüssel umgegangen. Ich konnte nicht sagen, ob es bedeutsam war. Aber ich konnte es auch nicht ausschließen. Es hätte von Tanya selbst stammen können, von ihrem Vormieter oder von den Kidnappern. Vielleicht sogar von der Polizei. Ohne die notwendige Zeit, Ausrüstung und Mannschaft für Tests und Untersuchungen ließ sich das nicht feststellen.
    Ich weiß nicht mehr, wie viele Häuser, Wohnungen und Büros ich im Laufe meines Berufslebens durchsucht habe. Das wusste ich schon am Ende des ersten Jahres nicht mehr. So etwas kommt einem erst komisch vor, doch dann wird es schnell zur Routine. Die Angst, überrascht zu werden oder ein verräterisches Indiz seiner Anwesenheit zu hinterlassen, schwindet schnell, und Instinkt und Routine überwiegen. Man lernt, die wahrscheinlichsten Orte zu ahnen, an denen die Leute etwas verstecken würden. Selbst wenn sie sich dabei für besonders clever gehalten hatten. Einzelne, alltägliche Dinge bilden Muster und zeigen einem den wahren Charakter und die Gewohnheiten eines Verdächtigen. Normalerweise ließ es mich völlig kalt, uneingeladen bei jemandem einzudringen, während er nicht da war. Doch bei Tanyas Wohnung war das anders. Das lag zum Teil daran, dass das, wonach ich suchte, so ungreifbar war – Hinweise darauf, wer sie entführt hatte und wohin man sie nach der Klinik gebracht haben könnte. Doch hauptsächlich lag es daran, weil dieser Besuch nicht beruflicher Natur war. Er war rein persönlich.
    Tanya hatte hier lediglich fünf Tage gewohnt und kaum Gelegenheit gehabt, die Wohnung zu ihrem Zuhause zu machen. In den Küchenschränken und Schubladen herrschte gähnende Leere, abgesehen von einem Päckchen importierter Teebeutel. In dem riesigen Kühlschrank stand eine einsame Packung Milch. Zwei Schachteln vom Thai-Restaurant lagen im Müll, zusammen mit dem Plastikbesteck und ein paar Dosen Diätcola. Im Wohnzimmer standen fünf schwere Umzugskisten, noch mit Klebestreifen verschlossen, vor einem Bücherregal. Es gab kein Sofa, keine Sessel, keinen Fernseher und keine Stereoanlage, keine Bilder an den Wänden und keine Vorhänge an den Fenstern. Aber es gab auch keine Anzeichen für einen Kampf. Keine kryptischen Mitteilungen und nichts, was ich interpretieren oder entschlüsseln konnte.
    Ich hatte mir tausendmal vorgestellt, wie ich Tanyas Schlafzimmer betreten würde, aber nie unter diesen Umständen. Ihre Bettdecke aufzuschlagen, schien mir ein Akt des Eindringens, nicht der Intimität. Ich ging zum Kleiderschrank, dann ins Bad. Ich kam mir vor wie ein Spanner, als ich ihre persönlichen Sachen durchwühlte, aber ich machte trotzdem weiter. Und fand absolut nichts. Ich sah mich weiter um, bis ich ganz sicher war, dass es hier nichts gab, was mir weiterhelfen würde. Vielleicht hätte ein Team von Forensikern mehr finden können, aber mit meinen Möglichkeiten war ich in einer Sackgasse gelandet. Schon wieder. Und mir gingen die Ideen aus.
    Ich konnte nur hoffen, dass es für Tanya noch nicht zu spät war.
    Ich ging

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