David Trevellyan 01 - Ohne Reue
Warum denn nicht?«
» Dann haben Sie dreihunderteinundzwanzig Opfer. Eines zu viel. Das ruiniert die Symbolik. Alle würden Sie auslachen.«
Taylor lächelte.
» Keine Sorge«, meinte er. » Meine Leute stecken Sie erst in die Badewanne. Dann fließt Ihr Blut ganz langsam durch den Abfluss wie verdünnter Cranberrysaft. Niemand wird es erfahren. Außer Ihnen natürlich. Falls Sie uns zwingen, es zu tun.«
Ich antwortete ihm nicht.
» Das muss aber nicht sein«, gab er zu bedenken. » Nicht, wenn Sie vernünftig sind.«
Ich nahm mir einen Moment Zeit, um Taylor anzusehen. Ich spürte, wie mir die Zeit davonlief. Ich wollte, dass er weitermachte. Ich wollte herausfinden, was er wusste. Aber ich sah auch, dass es noch zu früh war. Er war noch nicht dazu bereit. Ich hatte nur eine Chance, und die durfte ich nicht verspielen. Außerdem suchte ich noch nach einem Weg, mich von diesem Stuhl zu befreien.
» Vernunft war noch nie meine Stärke«, behauptete ich.
» Vielleicht kann ich ja Ihre Meinung ändern.«
» Sie können es versuchen. Aber ich muss Sie warnen. Das wäre nicht das erste Mal, dass es jemand versucht. Und es hat noch nie funktioniert.«
Taylor legte die Spritze auf den Tisch, beugte sich vor, nahm meine Waffe, sah nach, ob sie geladen war, und legte sie dann vorsichtig neben die Ampulle.
» Da sehen Sie, welche Wahl Sie haben.«
Er löste meine Uhr von meinem linken Handgelenk.
» Kann er auch nicht entkommen?«, fragte er.
» Nein«, antwortete das Kaninchen.
» Sind die Fesseln eng genug?«
» Ja.«
» Und der Stuhl? Kriegt er den kaputt?«
» Nein.«
Taylor platzierte die Uhr neben meinen anderen Sachen, sodass eine Seite des Armbands die Spritze berührte und die andere den Lauf der Waffe.
» Wir gehen jetzt nach nebenan«, verkündete er und nahm seine Tasche. » Wir haben noch etwas zu erledigen. Dafür brauchen wir zehn Minuten. So lange haben Sie Zeit nachzudenken. Dann können Sie mir sagen, auf welche Weise Ihr Leben enden soll.«
40
Eines störte mich bei unserer Ausbildung anfangs wirklich.
Es hatte mit den Ausbildern zu tun. Sie gaben uns nie genaue Informationen. Sie sagten uns, dass wir zwanzig Meilen laufen sollten, und änderten es dann in fünfundzwanzig. Oder dreißig. Wenn sie uns die Kreditkartennummern von fünf Leuten stehlen ließen, wollten sie in Wirklichkeit zehn oder, noch wahrscheinlicher, fünfzehn haben. Eine Zeit lang glaubte ich, sie wären einfach schlecht organisiert. Entweder das oder sadistisch veranlagt. Doch dann fiel der Groschen. Hinter dem Chaos verbarg sich eine Botschaft.
Verlass dich nie darauf, dass etwas zu Ende ist. Niemals.
Egal wie gut oder schlecht es auch aussehen mag.
Das Kaninchen hatte mit zwei Dingen völlig recht gehabt. Die Kabelbinder waren fest genug. Und der Stuhl war wirklich zu stabil, um ihn zu zerbrechen. Aber bei der Frage, ob ich entkommen könnte, hatte er eines völlig übersehen.
Die Länge meiner Beine.
Sobald sich die Verbindungstür hinter Taylor geschlossen hatte, kippte ich den Stuhl nach hinten und hielt ihn mit den Zehen meines rechten Fußes im Gleichgewicht. Dann schob ich mein linkes Bein zur Seite, bis mein Oberschenkel sich vom Kissen hob, drückte es nach unten und schob den Kabelbinder am glänzenden Metallbein hinunter, bis er über das Ende rutschte. Dasselbe tat ich mit dem rechten Bein. Dann erhob ich mich, sodass der Stuhl wie eine Art unbequemer Rucksack auf meinem Rücken saß.
Ich winkelte die Arme an, bis meine Handgelenke auf Höhe meiner Schultern waren, und lehnte mich vor, um das Gewicht des Stuhls auf meinen Rücken zu verlagern. Mit der rechten Hand hielt ich ihn fest und ließ die linke etwa zwanzig Zentimeter am Stuhlbein hinuntergleiten. Dann verlagerte ich das Gewicht und ließ auch die rechte Hand hinabrutschen. Ich hob den Stuhl so hoch wie möglich auf meinen Rücken und fasste ihn dann wieder mit der Rechten. Diesmal streckte ich den linken Arm ganz aus. Ich spürte, wie der Kabelbinder am Metall entlangglitt und das Ende des Stuhlbeins erreichte. Dort verfing er sich. Wahrscheinlich an einem Gummistopper, der verhindern sollte, dass der Stuhl auf einem glatten Boden rutschte. Ich drehte das Handgelenk ein paar Mal hin und her, dann rutschte die Fessel über den Stopper hinweg. Der Stuhl hing nur noch an einer Stelle fest und schwang zur Seite. Aber ich bekam ihn zu fassen, bevor er auf den Boden schlug. Dann befreite ich auch meine rechte Hand und setzte ihn vorsichtig
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