David Trevellyan 01 - Ohne Reue
dem Griff, doch zunächst geschah nichts. Erst als ich es ein wenig stärker versuchte, bewegte sich langsam die ganze Wand. Sie glitt zur anderen Seite des Zimmers, wo sie sich wie eine Ziehharmonika zwischen zwei Fensterbänken zusammenfaltete. Ich hätte sie ganz zurückdrehen können, um unser Zimmer mit dem daneben zu verbinden, doch dazu bestand gar keine Notwendigkeit. Nach ein paar Dutzend Umdrehungen hörte ich auf, als der Spalt gerade breit genug war, dass ich mich hindurchquetschen konnte.
Ich steckte den Kopf durch den Spalt und sah mich schnell in dem angrenzenden Raum um. Er war fast genauso groß und ebenfalls leer, mit kahlen Wänden. Ich ging nicht hindurch. Für eine gründliche Untersuchung hatte ich keine Zeit, aber das war auch nicht notwendig. Von da, wo ich stand, konnte ich genug sehen. Es gab eine Buchse, um die Wand wieder zurückzukurbeln, und eine Tür, die auf den Gang führte. Das war alles, was ich brauchte.
Tanya stand mit dem Rücken zu mir und sah auf Lavine hinunter.
» Dieser andere Gefallen«, bemerkte ich. » Erzähl ihnen, dass ich ihren Agenten allein überwältigt hätte. Sag ihnen nicht, dass du mir die Schlüssel gegeben hast. Sag ihnen einfach, ich hätte dich niedergeschlagen und du wüsstest nicht, was danach passiert ist. Okay?«
» Meinst du, dass sie das schlucken?«, fragte sie.
» Erfinde eine einfache Geschichte, übertreib es nicht und bleib dabei.«
» Ich werde es versuchen.«
» Ach, Tanya«, fügte ich noch hinzu und zog den Hebel aus der Buchse. » Da ist noch etwas, du musst schreien.«
Sie enttäuschte mich nicht. Ich küsste sie – nur so, weil ich hoffte, dass es mir Glück brachte – und zog ihr die Beine weg. Sie schlug hart auf und schrie bereits, noch bevor sie auf Lavine landete. Schnell tauchte ich in den nächsten Raum ab, setzte den Hebel in die andere Buchse und begann zu drehen. Ich konnte hören, wie sich eine Tür öffnete. Hörte sich an wie die zum Konferenzsaal. Rosser und die anderen kamen. Weitere Schritte donnerten durch den Gang. Zwei Leute, schnell rennend. Sie kamen aus der entgegengesetzten Richtung. Es mussten die beiden Agenten sein, die am Aufzug postiert gewesen waren.
Die Wand schloss sich so langsam, als würde sie von einer Schnecke gezogen. Ich drehte noch schneller an der Kurbel, bis sie endlich ganz geschlossen war, gerade als ich auf der anderen Seite die Tür aufgehen hörte. Menschen kamen herein. Ich hörte, wie sie herumliefen. Ihre Stimmen wurden laut, wütend und verwundert zugleich. Ich ging zur Tür, öffnete sie einen Spalt und sah hinaus auf den Gang. Er war leer. Also zog ich die Tür weiter auf und schlüpfte hindurch. Einen Moment musste ich warten und die Tür festhalten, damit der Schließmechanismus sie nicht laut ins Schloss krachen ließ. Doch dank Tanya war niemand im Gang, der mich sehen konnte.
9
Die Treppe ist dein Feind, hatte mein Lehrer für Fluchttechniken immer gesagt.
Ständig hatte er das wiederholt und keine Gelegenheit ausgelassen, es uns einzuhämmern. Zuerst hatte ich ihn für verrückt gehalten, aber bald sah ich, dass er recht hatte. Wenn man genug Treppen rauf- oder runterrennt, fühlen sich die Beine an wie Gummi, egal, wie fit man ist. Das ist schon schlimm, wenn man nur ein Tablett mit Kaffee für die Kollegen dabei hat, und noch schlimmer, wenn man am Ende der Treppe von Leuten mit Schusswaffen erwartet wird.
Da ihr oberster Boss sich in einem ungesicherten Gebäude befand, ging ich davon aus, dass die Jungs vom FBI streng nach Vorschrift handeln würden. Die Agenten, die am Fahrstuhl gestanden hatten, bildeten die innere Sicherheitsschranke. Um sie musste ich mir keine Sorgen mehr machen, ich hatte sie bereits hinter mir, und wenn sie mich verfolgten, würde ich es hören. Aber es gab mit Sicherheit auch eine äußere Verteidigungslinie, entweder im Erdgeschoss oder in der Garage, und möglicherweise zusätzlich ein Fahrzeug draußen auf der Straße. Das hieß, dass zwischen mir und jemandem, der mir feindlich gesonnen war, eine Menge Treppenstufen lagen.
Ich beschloss, die Sache langsam anzugehen.
Im zwanzigsten Stockwerk hielt ich an und lauschte nach den Fahrstühlen. Es funktionierte nur einer, nämlich der, mit dem mich Lavine und Weston nach oben gebracht hatten. Auf der Anzeige stand, dass er sich im Erdgeschoss befand.
Im ersten Stock blieb ich erneut stehen. Diesmal durchquerte ich gleich den Vorraum und den Gang und sah in alle Räume. Die ersten zu
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