David Trevellyan 01 - Ohne Reue
war circa sieben Zentimeter im Durchmesser und zehn Zentimeter hoch und hatte einen passenden Deckel mit einem kugelförmigen Griff. Das Glas sah trübe aus, als hätte man es zu oft in einer Maschine gewaschen, wie ein Überbleibsel aus einem Schullabor.
» Hier drin werden die kleinen Burschen sicher sein«, erklärte sie Cyril. » Mach dir keine Sorgen. Ich werde mich um sie kümmern, und du kannst sie jederzeit besuchen kommen.«
Sie öffnete den Deckel des Glases und goss aus der Flasche eine klare Flüssigkeit hinein. Mir stieg der unverkennbare Geruch von Formaldehyd in die Nase. Wie in einem alten Leichenschauhaus.
» Soll ich ein Etikett dafür schreiben?«, fragte sie. » Oder erkennst du sie auch so? Ich habe da drüben mittlerweile eine ganz ordentliche Sammlung davon …«
Cyril antwortete nicht. Ich glaube, er hatte das Glas nicht einmal zur Kenntnis genommen. Er starrte nur völlig gebannt auf seine Hoden. Lesley zuckte mit den Achseln und schraubte die Flasche wieder zu. Dann griff sie zur Schere, doch bevor sie sie benutzte, wandte sie sich noch einmal zu mir.
» Ihr Briten steht doch auf Ironie«, meinte sie. » Wie gefällt Ihnen das? Ein Eichhörnchen ohne Nüsse.«
14
Bevor ich meine Ausbildung beendet hatte, waren zwölf Leute aus meinem Jahrgang ausgeschieden.
Sieben stiegen in der Phase des Ausdauertrainings aus, zwei bei der Waffenprüfung und zwei beim Nahkampf ohne Waffen. Schämen musste sich keiner von ihnen, alle gingen hocherhobenen Hauptes. Denn in der Navy ist es besser, hundert Prozent zu geben und es nicht zu schaffen, als überhaupt nichts Neues zu versuchen. Solange man sein Bestes gibt, hat man sich Respekt verdient.
Wenn man allerdings hinausgeworfen wird, sieht die Sache anders aus. Das ist in meiner Klasse glücklicherweise nur einem Rekruten passiert. Und das lag nicht an seiner Leistung. Dafür sind die Ausbilder zuständig. Das Problem war seine Einstellung, besser gesagt, eine Frage, die er unbedingt hatte stellen müssen.
Zuerst überraschte mich das, denn normalerweise befürwortet die Navy Fragen. Hat man die richtigen Grundlagen für den Job? Könnte man seine Ziele schneller erreichen? Sicherer? Effektiver? Aber irgendwann verstand ich, was er falsch gemacht hatte. Im Prinzip war es ganz einfach. Ich stellte fest, dass man eines nicht mehr infrage stellen durfte, wenn man einen Auftrag übernommen hatte.
Nämlich den Auftrag selbst.
Der Große führte mich ins Wohnzimmer und bat mich zu warten, bis er die Sachen geholt hatte, die ich für morgen brauchen würde. Dann ließ er mich auf dem Sofa mit einem Stapel Zeitschriften allein, und ich hatte genug Zeit, darüber nachzudenken, auf was ich mich eingelassen hatte.
Lesleys Plan hatte gute Aussichten auf Erfolg, dachte ich. Er war einfach und geradlinig. Man hatte sich realistische Ziele gesetzt. Die nötige Ausrüstung und das Personal waren versprochen worden, man war Verpflichtungen eingegangen und hatte Zusagen gemacht.
Was mich anging, so war ich mir über meine eigene Rolle vollständig im Klaren. Weniger sicher war ich mir, was ich von den anderen Beteiligten erwarten konnte. Und außerdem brauchte ich mehr Kaffee. Das war typisch für den ersten Tag in einem neuen Job.
Ich hoffte, dass ich irgendwann auch meinen neuen Partner zu Gesicht bekommen würde, aber der Einzige, der mir in den nächsten zwanzig Minuten Gesellschaft leistete, war George.
» Es ist alles da«, sagte er und ließ eine verschlissene Gladstone-Tasche neben mir auf das Sofa fallen. » Sie können es überprüfen, wenn Sie wollen.«
Ich öffnete die Tasche und warf einen Blick hinein. Sie war ordentlich gepackt. Auf einer Seite waren Socken und Boxershorts in ein schwarzes Polohemd gewickelt, daneben lagen fünf durchsichtige wiederverschließbare Plastikbeutel. Im ersten befand sich eine Uhr als Ersatz für die, die das FBI behalten hatte. Im zweiten lagen eine Zahnbürste, originalverpackt, Zahnpasta und ein Deo, im dritten steckten ein Dutzend Kabelbinder und ein Klappmesser. Die vierte Tüte enthielt Geld, und zwar eintausend Dollar in gemischten Scheinen, und die fünfte eine Waffe. Eine Springfield P 9 . Ich betrachtete sie genauer.
» Ist das Cyrils?«
» Genau«, gab George zu.
» Woher wissen Sie das?«, fragte ich und wies auf den verschwommenen Fleck auf der rechten Seite des Griffs, wo die Seriennummer weggeätzt worden war.
» Hat Lesley gesagt. Wenn Sie sie danach fragen wollen, bitte schön.«
»
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