David Trevellyan 01 - Ohne Reue
wir einen Weg finden, mit der Polizei zu verhandeln.«
» Tut mir leid, Julianne, aber das mit der Polizei wird nicht funktionieren. Es gibt nur diesen einen Weg. Aber vertrauen Sie mir, morgen Mittag wird das alles vorbei sein.«
Die automatische Ansage im Fahrstuhl erklang ebenfalls auf Deutsch, was Patricks Stimmung nicht gerade hob. Während der kurzen Fahrt ins Erdgeschoss stand er in der Ecke und schimpfte leise vor sich hin. Die Türen waren noch nicht ganz geöffnet, als er sich schon an mir vorbeischob und nach rechts zur Rezeption ging. Julianne und die anderen waren etwas langsamer, sie brauchten einen Moment, um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Es war ein sehr abrupter Wechsel aus dem engen Aufzug in die helle, offene Empfangshalle.
Unter den hohen Fenstern hingen abstrakte Wandteppiche, die in dem ansonsten in glattem weißem Marmor gehaltenen Interieur die einzigen farbigen Akzente setzten. Außerdem waren sie das Einzige, was nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Es war ein großes Foyer, aber alles darin diente einem bestimmten Zweck – der Tresen, an dem Patrick stand, eine zweite Reihe von Aufzügen vor uns, die zu den Etagen mit den Zimmern fuhren, Glastüren, die zum Restaurant und zur Bar führten, und der Ausgang zur Straße auf der rechten Seite. Für Vitrinen, Sitzgelegenheiten oder einen Portierstand war kein Platz verschwendet worden. Das Resultat behagte Julianne offensichtlich nicht – ich spürte, wie sie bei dem Anblick schauderte –, aber mir gefiel es. Dadurch wirkte der Raum konzentriert und zweckmäßig.
Außerdem bedeutete es, dass man nicht heimlich beobachtet werden konnte.
Weder von Lesleys Leuten noch vom FBI.
Zwei Angestellte hatten an diesem Abend Dienst. Keiner von ihnen war da gewesen, als ich vor einigen Jahren in diesem Hotel abgestiegen war, daher bestand keine Gefahr, dass sie mich erkennen würden. Der auf der linken Seite saß über eine Tastatur gebeugt. Er bearbeitete einen Stapel Papiere, der neben ihm auf dem Tisch lag. Seine Hände bewegten sich – roboterhaft betätigten sie die Tastatur und sortierten die Papiere –, ansonsten saß er völlig still und war ganz in seine Arbeit versunken. Obwohl Patrick ihm so nahe war, dass er ihn hätte berühren können, schien er seine Anwesenheit gar nicht zu registrieren. Man hätte ihm wahrscheinlich, ohne dass er auch nur aus dem Takt gekommen wäre, die Schuppen von seinem dunkelblauen Blazer schnippen können.
Die zweite Angestellte war jünger und etwas lebhafter. Sie lief hinter dem Tresen hin und her, sammelte Papiere zusammen und plauderte mit Patrick, der auf uns wartete. Ein Schild an ihrem Blazer wies sie als Maxine, die Schichtleiterin, aus. Gelegentlich warf sie einen Blick in unsere Richtung, schien jedoch nicht sonderlich misstrauisch. Ganz offensichtlich verglich sie keinen von uns mit einem Fahndungsfoto oder versuchte, uns einer Beschreibung zuzuordnen. Sie war eher beiläufig neugierig, und als wir hinzutraten, tat sie nichts Bedrohlicheres, als die Papiere vor Patrick auszubreiten und nach einem Stift zu greifen.
Die Formulare enthielten die Angaben, die George bereits über das Internet gemacht hatte, sodass wir sie nur noch unterzeichnen mussten, an drei deutlich mit einem schwarzen Strich markierten Stellen. Doch selbst das erwies sich für die Männer aus dem Jeep als eine echte Herausforderung. Vielleicht hatten sie besonders schwierige Namen, aber lange, nachdem Julianne und ich mit unseren Formularen fertig waren, kritzelten sie noch mit den billigen Kugelschreibern herum.
George hatte mich als David van der Wahl aus Ossining, New York, angemeldet. Er glaubte wohl, dass ein holländisch klingender Name die Angestellte in die Irre führen würde, wenn sie meinen Akzent hörte und später nach englischen Gästen gefragt wurde. Ich war mir da nicht so sicher. Ich zog meine übliche Methode vor – mit möglichst niemandem zu reden –, aber meiner Meinung nach konnte das kleine Täuschungsmanöver auch nicht schaden. Zumindest war ihm ein fantasievollerer Name eingefallen als die, die ich üblicherweise von der Navy bekam.
Maxine reichte uns nacheinander unsere Schlüssel und erklärte jedem von uns ausführlich, wie man in die Zimmer kam und wo es Frühstück gab, obwohl die Aufzüge und das Restaurant deutlich zu sehen waren. Ich bekam meinen Schlüssel als Letzter, und als sie ihre Instruktionen zum siebten Mal abgespult hatte, waren Patrick und die anderen bereits
Weitere Kostenlose Bücher