David Trevellyan 01 - Ohne Reue
Hotel in London sollten wir uns mit einer Abordnung ihrer Regierungsbeamten treffen und mit ihnen über die staatlichen Subventionen verhandeln. Wir hegten den Verdacht, dass sie unseren Konkurrenten bessere Bedingungen angeboten hatten, und waren mit einem Fragenkatalog losgeschickt worden, um diese Theorie zu überprüfen. Gleichzeitig mussten wir vermeiden, Informationen über uns selbst preiszugeben, die ihnen helfen konnten. Damit die Übung realistischer wirkte, befahl man uns, unsere Anzüge und Aktentaschen mitzubringen. Dann setzte man uns in der Stadt ab und schickte uns los.
Alles, was im Hotel geschah, wurde aufgezeichnet, und wir sahen es uns später an. Wir alle machten unsere Sache gut. Hinterhältige kommunistische Pläne wurden vereitelt, aber unsere Lippen blieben versiegelt. Wir waren schon so weit, dass wir uns gegenseitig auf die Schultern klopfen wollten, als die Ausbilder jedem von uns ein Blatt Papier reichten, auf dem genau aufgelistet war, was wir über uns verraten hatten. Und diese Listen waren lang. Zuerst konnten wir das gar nicht begreifen, weil nichts auf den Blättern mit dem übereinstimmte, was wir in den Aufzeichnungen gesehen hatten. Doch dann wurde es uns klar: Die Informationen, die sie gesammelt hatten, hatten sie nicht unseren Worten entnommen, sondern unseren Mänteln, die sie freundlicherweise aufgehängt hatten, unseren Jacken, Aktentaschen und allem, was sich außerhalb unseres Blickfeldes befunden hatte, geöffnet worden war oder offen herumlag.
Die Lektion war, dass man aus allem, was man von einer Person sieht, Informationen gewinnen kann.
Egal, ob sie es will oder nicht.
Tungsten Security besaß zwei Firmensitze. Die Einsatzzentrale befand sich nicht gerade in New Yorks vielversprechendstem Stadtteil. Sie stand auf einem wilden, abgelegenen Stück Land in Queens, das dem Sumpfgebiet abgewonnen worden war, als man in den Vierzigerjahren den Kennedy Airport geplant hatte. Doch das frei stehende Gebäude wirkte keineswegs heruntergekommen oder vernachlässigt. Und man hatte beim Bau nicht gespart. Tatsächlich hatten die Verantwortlichen hier wahrscheinlich noch mehr Geld rausgeschmissen als die Dekorateure für die Innenausstattung des Firmenhauptsitzes, den ich in der Fifth Avenue gesehen hatte. Sie hatten nur nicht so viel Wert auf Ästhetik gelegt.
Die fünf tristen, olivgrauen Lagerhäuser standen abweisend und allein am Ende einer langen, geraden Zufahrtsstraße. Sie waren leicht zu finden. Fünfhundert Meter in jede Richtung standen keine anderen Gebäude. Der verstärkte Drahtzaun um das Gelände war fünf Meter hoch und oben mit vier glitzernden, nach außen geneigten Strängen NATO-Draht gekrönt. Parallel dazu verlief zwanzig Meter weiter drinnen ein weiterer Zaun, der fast genauso aussah, nur dass der Stacheldraht in die andere Richtung zeigte. Dazwischen wuchs nichts, was höher war als ein Grashalm, und in regelmäßigen Abständen befanden sich Pfosten, auf denen verschiedene Scheinwerfer, Überwachungskameras, Infrarotleuchten und Bewegungsmelder angebracht waren.
Der Name der Gesellschaft stand nirgends. Und es gab auch keine Willkommensschilder für Besucher.
Der einzige Eingang führte durch ein robustes Metalltor, breit genug für schwere LKW. Westons Ford wirkte ziemlich klein, als er vorfuhr und auf einem mit gelber Farbe auf die Straße gemalten Feld anhielt.
Ein kleines Schild an der Schranke sagte Warten.
» Was ist denn das hier?«, fragte Weston.
» Habe ich was verpasst?«, erkundigte sich Lavine. » Sind wir in Guantanamo?«
Das äußere Tor glitt lautlos auf, und Weston rollte vor, bis sich sein Fenster auf gleicher Höhe mit einer Sprechanlage an einer Stahlsäule befand. Weiter oben hing noch eine weitere Anlage für LKW-Fahrer. Weston streckte die linke Hand aus, doch noch bevor er irgendeinen Knopf drücken konnte, begann sich das Tor hinter uns wieder zu schließen. Die Lücke zwischen den Zäunen war ebenfalls zu beiden Seiten versperrt, sodass wir vollkommen eingeschlossen waren.
» Gleich kommt jemand und gibt uns allen orangene Overalls. Das dauert nicht lange«, bemerkte Lavine trocken.
» Bitte nennen Sie Ihren Namen und Ihr Anliegen«, erklang eine Stimme aus der Sprechanlage. Sie war männlich und hatte einen australischen Akzent.
» FBI«, sagte Weston. » Kelvin Taylor erwartet uns.«
» Gebäude eins«, sagte die Stimme.
An jedem Gebäude war über dem Haupteingang eine meterhohe Ziffer in weißer Farbe
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