David Weber - Honor Harrington 20 - An Bord der Hexapuma
sie wieder auf ihr HUD. Sie zog eine Augenbraue hoch, als der Frachter ein halbes Dutzend Rumpfplatten absprengte. Eine der plötzlich entstandenen Öffnungen befand sich fast genau vor der Pinasse, und Ragnhild konnte etwas darin erkennen. Es war ein undeutlicher, kaum sichtbarer Umriss, doch es hatte etwas beunruhigend Vertrautes an sich, und es schien sich in ihre Richtung zu drehen und auf die Pinasse einzuschwenken.
O Gott, das ist ein …!
Ragnhild Pavletic sollte den Gedanken nie beenden.
Das Universum boxte Helen Zilwicki in den Magen. Etwas anderes konnte nicht erklären, dass sie plötzlich rau alle Luft ausstieß. Oder warum ihr Herz stehenblieb und ihre Lunge gefror, als Hawk-Papa-Eins explodierte.
Nahbereichs-Abwehrlaser, sprach eine eisige Stimme in ihrem Hinterkopf klar und präzise − die Stimme eines Fremden, ganz gewiss nicht ihre eigene.
Schock über die selbstmörderische Dummheit dessen, was sie gerade beobachtet hatten, schien jeden einzelnen Offizier auf der Brücke der Hexapuma ergriffen zu haben. Jeden Offizier bis auf einen.
»Klar bei Laserclustern − neutralisieren!«, stieß Captain Aivars Aleksowitsch Terekhov hervor. »Feuer!«
»Du dämlicher Idiot!«, heulte Duan auf.
Von hinten schloss er die Hände um Egervarys Hals. Mit der Kraft seiner Arme und Schulter riss er heftig, und der Sicherheitsoffizier flog aus dem Sitz. Alles, was Duan im Sinn hatte, war, den Irren von der Taktikkonsole wegzubekommen, ehe er etwas noch Dümmeres tat − als gäbe es etwas noch Dümmeres zu tun! Duan hatte Erfolg, aber die wilde, panikgetriebene Kraft, mit der er Egervary von der Konsole wegriss, brach dem Mann das Genick, als wäre es ein Streichholz.
Die Leiche war noch in der Luft, als die Hexapuma feuerte.
Der Abstand betrug keine viertausend Kilometer.
Auf diese Entfernung reichten Nahbereichsabwehrlaser, die einkommende, wild ausweichende Raketen auf Distanzen von sechzig- bis siebzigtausend Kilometer abschießen konnten, mehr als aus, um jedes ungepanzerte Ziel zu vernichten, das kein Impellerkeil oder Seitenschild schützte. Allzu häufig kam es nicht vor, dass ein Kriegsschiff Gelegenheit erhielt, seine Nahbereichsabwehrwaffen gegen feindliche Beiboote einzusetzen, geschweige denn gegen andere Sternenschiffe denn niemand war so wahnsinnig, sich nicht zu ergeben wenn ein Flottenschiff sich so dicht genähert hatte.
Gewöhnlich zumindest.
Die gute Neuigkeit für die Marianne lautete, dass die Lasercluster der Hexapuma erheblich schwächer waren als ihre Breitseiten-Energiewaffen. Ein einziger Graser des Schweren Kreuzers hätte ausgereicht, um den Rumpf des Frachters glatt zu durchschlagen, und hätte ihm dabei vermutlich das Rückgrat gebrochen. Die Lasercluster konnten das nicht, doch sie bedeckten die Flanken der Hexapuma zu Dutzenden, und die Royal Manticoran Navy folgte dem Grundsatz: ›Allzeit bereit.‹ So selten die Gelegenheit auch sein mochte, Defensivwaffen in einer offensiven Rolle einzusetzen, BuWeaps hatte sich überlegt, wie man in solch einem Fall am besten vorging, und Naomi Kaplans rachsüchtiger Finger rief einen gespeicherten Beschießungsplan ab. Der Feuerleitrechner berücksichtigte kurz − sehr kurz − die Daten der aktiven Ortung, wählte die Ziele, wies jedem davon eine Bedrohungsstufe zu, teilte sie auf die einzelnen Nahbereichsabwehrstationen auf und eröffnete das Feuer.
Stilette aus kohärentem Licht zuckten aus der Hexapuma. Jeder der acht Laser eines Clusters war in der Lage, alle sechzehn Sekunden einmal zu feuern. Das bedeutete aus jedem Cluster in der Steuerbord-Breitseite der Hexapuma einen Schuss alle zwei Sekunden, und die Rumpfplattierung der Marianne schien aufgesprengt zu werden. Die tastenden Clusterlaser wanderten im Stakkato über ihre Außenhaut, präzise und sorgfältig, und sie konnten auf die absurd kurze Entfernung praktisch nicht vorbeischießen; so verwüstete die Hexapuma das Schiff, das ihre Pinasse zerstört hatte. Die Laser geißelten die Marianne mit Stacheln aus Licht und ihr Vernichtungssturm verglühte Waffen, Sensoren, Impelleremitter.
Es dauerte genau dreiundzwanzig Sekunden ab dem Augenblick, in dem Terekhov den Feuerbefehl erteilt hatte, um das Schiff, das gerade achtzehn seiner Leute gemordet hatte, in ein gebrochenes, zerschmettertes Wrack zu verwandeln, das sich nie wieder aus eigener Kraft bewegen würde.
Alarme gellten auf. Die Brücke heulte und zuckte wie ein kleines Boot im Sturm, als der
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