Davide
wer von ihnen beiden
denn nun eigentlich der Unersättlichere war. Immer noch hatte das Zusammensein mit
ihr den Reiz des Neuen, des Geheimnisvollen und sie gab ihm außerdem noch das
Gefühl, so gut wie unwiderstehlich und grenzenlos potent zu sein. Aber sogar
für ihn nahm es inzwischen überraschende Ausmaße an und ein Großteil der
Impulse dazu ging eindeutig von ihr aus, so wie gerade eben auch.
Mit
einem Seufzer nahm er den Kampf gegen die Elemente wieder auf und registrierte erleichtert
nach wenigen weiteren hundert Metern, dass der Feldweg sich stabilisierte,
durch ein kleines Pappelwäldchen führte und völlig unerwartet den Blick auf
eine sonnenüberflutete Lichtung freigab.
Vor
seinen Augen öffnete sich eine paradiesische, von hohen Bäumen umgebene Oase.
Direkt
ihm gegenüber lag ein langes, einstöckiges, dunkelrot gestrichenes Gebäude im
ländlichen Stil der Gegend. Über dem zentral gelegenen weißen Eingangsportal
mit dem halbrunden Oberlicht prangte ein Schriftband: „AZIENDA AGRICOLA
SANTINI“ war da zu lesen. An das Mittelgebäude schlossen sich zwei niedrigere
Gebäudeflügel an, die etwas zurückgesetzt waren. Rechts und links dieses
Ensembles und dazu im rechten Winkel angeordnet erkannte er Stallungen und
Wirtschaftsgebäude. Er kannte sich nicht mit solchen Dingen aus, doch alles
schien ihm liebevoll und detailgetreu vor nicht allzu langer Zeit renoviert
worden zu sein.
Üppig
blühende Rabatten und Beete, wohin er sich auch wandte, prangten in glühenden
Farben. In der Mitte des Hofes, der sich aus der Anordnung der Gebäude ergab, plätscherte
in einer Explosion aus Farben und Blüten ein kleiner Springbrunnen, neben dem
er nun schließlich das Auto abstellte.
„Oh
mein Gott!“ Er stieg aus und sah fassungslos um sich. „Was ist denn das hier?
Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du direkt aus dem Paradies kommst?“
Sie
gab ihm darauf keine Antwort, doch er konnte sehen, wie zufrieden sie war, dass
es ihm gefiel.
„Komm
hier entlang“, sie nahm ihn bei der Hand und wollte ihm voraus in Richtung
Nebengebäude gehen, doch er hielt sie auf und zwang sie, ihn anzusehen.
„Und
das wolltest du mir vorenthalten? Im Ernst? Das hätte ich dir nie verziehen!“
„Das
hättest du aber dann auch nicht gewusst, oder? Also komm jetzt“, mahnte sie ihn
sanft, „es ist bald Zeit fürs Mittagessen und wie ich meine Mamma kenne,
sollten wir uns nicht zu sehr verspäten!“
Auf
dem Weg über den Hof kam ihnen ein schlanker, fast hagerer, gepflegter Mann ungefähr
in Davides Alter entgegen, der im Vorbeigehen einen vielsagenden Blick auf das
schlammbespritzte Auto warf.
„Ciao,
Papà“, Emma ging auf ihn zu und küsste ihn auf beide Wangen, „das hier
ist …“
„Davide
Gandolfo, dein neuer Arbeitgeber“, unterbrach er sie. „Hab ihn schon
erkannt! – Willkommen Davide, ich bin Giorgio!“
Giorgio
streckte Davide die Hand entgegen, die er ergriff und herzhaft schüttelte.
„Ciao
Giorgio, freut mich - Davide!“
„Na,
wenigstens hat er einen ordentlichen Händedruck“, urteilte ihr Vater mit einem
breiten Grinsen, das Davide mit einem ebensolchen beantwortete. Die Sympathie
war offenkundig gegenseitig. „Aber ist das nicht der, mit dem du eigentlich nie
was zu tun haben wolltest?“, wandte sich Giorgio nun an seine Tochter.
Emma
verdrehte die Augen zum Himmel und wäre am liebsten im Boden versunken.
„Aber
Papà! Wie kannst du …“
„Na,
nichts für ungut, Davide“, er grinste.
„Schon
gut, ich weiß es ja. Sie wollte nämlich wirklich nichts mit mir zu tun haben
und es war ein schwerer Kampf, sie vom Gegenteil zu überzeugen.“
„Das
glaube ich. Unser liebes Kind hier ist nämlich ein absoluter Dickschädel!“
„Ist
mir aufgefallen. Und der Kampf ist wohl auch noch nicht gewonnen, wie ich
befürchte!“
„Na,
jetzt kommt erst mal rein! – Übrigens“, Giorgio deutete mit dem Kopf auf das
Cabrio, „wenn du willst, dann leihe ich dir nachher gern meinen
Hochdruckreiniger, aber du solltest vorher vielleicht lieber das Dach
schließen!“
Giorgio
ging grinsend voraus ins Haus. Im Flur duftete es verlockend und
charakteristisch. Als er die Küchentüre öffnete, kam ihnen ein Schwall von
Aromen entgegen. Davide sog genüsslich die Luft ein.
„Ah,
ich kann’s nicht glauben – riecht das hier wirklich nach Baccalà?“
Die
Köchin drehte sich mit einem Lächeln um und er glaubte zu träumen: vor ihm
stand Emma, nur älter.
„Sie
müssen
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