Davina
zwei Tagen finden«, sagte sie. »Heute ist Freitag … Er fuhr an Freitagen immer in seine Datscha.«
»Wir sind aus der Sowjetunion heraus, bevor sie ihn hier suchen«, sagte Poliakow. »Ich werde diese Tür und die Tür zum Schlafzimmer absperren. Los, komm, lass uns gehen!«
Die alte Hausmeisterin blickte zum Lift hinüber, als dieser im Erdgeschoß stehen blieb. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, als sie die KGB-Uniform und das Mädchen sah, das die Geliebte des KGB-Generals war. Neugier war hier nicht mehr am Platz; das Mädchen hatte beste Beziehungen. Die alte Frau schloß taktvoll die Augen und tat so, als schliefe sie. Eine dreiviertel Stunde später fuhr Wolkows Wagen hinter einem Lagerhaus in eine Seitenstraße. Dort zog Poliakow die Uniform und die schweren Stiefel aus und versteckte sie unter dem Sitz. Er nahm Irinas Arm und trug ihren Koffer. Sie gingen zu Fuß zur Bushaltestelle und bestiegen den Zubringer zum Flughafen Wirukowo. Anderthalb Stunden später stiegen sie, nachdem ihre Pässe und Ausweise abgestempelt worden waren, die Treppe zum Tupolew-Jet hinauf, der täglich zweimal auf die Krim flog.
Jeremy Spencer-Barr hatte sich an diesem Freitag zwei Karten für die Abendvorstellung des Bolschoi-Balletts besorgt. Auf dem Programm stand Prokofjews ›Romeo und Julia‹; die Hauptrolle tanzte die Primaballerina Maja Plisetzkaja. Jeremy hatte seine Sekretärin dazu eingeladen und befand sich, weil er sich umziehen mußte, in seiner Wohnung auf dem Botschaftsgelände, als es klingelte. Er brummte unwirsch etwas vor sich hin, weil er fürchtete, daß jemand ihn unaufgefordert aufsuchen wollte. Er hasste Überraschungsbesuche. Er zog sich die Jacke an und öffnete die Eingangstür. Der Erste Sekretär der Wirtschaftsabteilung und der Botschafter standen vor ihm.
»Guten Abend«, sagte Jeremy. »Kommen Sie bitte herein.« Er gehörte nicht zu den Leuten, die sich leicht aus dem Gleichgewicht bringen ließen. Er sah beide höflich, aber auch forschend an.
»Ich muß leider in etwa fünfzehn Minuten ins Theater fahren«, sagte er. »Was kann ich für Sie tun?«
»Wir möchten mit Ihnen sprechen«, sagte der Geheimdienstbeamte.
»Ich habe Karten für das Bolschoi«, drängte Jeremy. »Ich nehme meine Sekretärin mit. Wenn wir unsere Plätze nicht eingenommen haben, sobald der Vorhang aufgeht, kommen wir erst zur Pause hinein.« Er machte ein unwirsches Gesicht.
»Setzen Sie sich, Spencer-Barr«, befahl der Botschafter. »Wir haben ein dringendes Fernschreiben von Ihrem Chef in London bekommen. Sie sind von allen Aufgaben in der Botschaft entbunden.«
Er konnte den Schock nicht verbergen, dieses eine Mal verließ ihn seine Selbstbeherrschung. Er starrte die beiden mit offenem Munde an. »Entbunden? Was soll das heißen?«
»Es soll heißen«, sagte der Nachrichtenmann grimmig, »daß Sie aus dem Fall ausscheiden. Wann hatten Sie Ihren letzten Kontakt mit Daniel?«
Jeremy zögerte. Es ist schiefgegangen, dachte er bei sich, sie haben alles zuschanden gemacht.
»Gestern«, sagte er, »ich habe ihm weisungsgemäß die Nachricht übermittelt.«
»Sie haben ihm auch sonst noch etwas übermittelt, nicht wahr?« Der Botschafter überließ es seinem Untergebenen, die Fragen zu stellen. Er hörte nur noch zu und sah Spencer-Barr dabei mit kühler Abneigung an.
»Sie haben die Weisung aus London nicht an Daniel weitergegeben, nicht wahr? Ich würde an Ihrer Stelle Ihre Sekretärin anrufen und ihr sagen, daß Sie plötzlich Fieber bekommen haben. Sommergrippe – sie wird es Ihnen glauben. Ich fürchte, Sie werden heute abend nicht ins Ballett gehen.«
Jeremy sah von einem zum anderen.
»Meinetwegen«, sagte er. »Ich werde anrufen. Kann ich vorher noch eine Frage stellen?«
»Kommt darauf an, was es ist«, entgegnete sein Gegenüber.
»Ist Antoni Wolkow etwas zugestoßen?«
»Nicht, daß wir etwas davon wüssten«, lautete die kurze Antwort. »Wenn Daniel getan hat, was Sie ihm aufgetragen haben, bleibt tatsächlich alles geheim. Rufen Sie jetzt an.«
Spencer-Barr wählte die Nummer des Mädchens. Er entschuldigte sich und legte wieder auf, bevor sie mehr sagen konnte, als wie leid es ihr tue, daß er krank sei. Dann wandte er sich wieder den beiden zu.
»Ich hole Ihnen einen Drink. Was möchten Sie, Sir?« fragte er den Botschafter.
»Scotch und Wasser.«
»Mir bitte dasselbe«, meinte der Nachrichtenmann.
Jeremy goß die Drinks ein und gab jedem sein Glas. Er gab sich kühl, fast etwas
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