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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Ende haben, und sie hatte sich selbst und dem Chef versprochen, daß sie sich daran halten würde. Ihre Verbindung mit Sasonow hatte keine Zukunft. Er würde mit seiner Tochter leben und auf die Heimkehr seiner Frau warten. Es war besser, geliebt und schließlich verloren zu haben, als überhaupt nicht geliebt zu werden. Diese alte Klischeevorstellung kam ihr wieder in den Sinn. Sie hatte nie geliebt, bevor sie ihn kennen lernte. Diese Erkenntnis ernüchterte sie; die Liebe zu ihm war mehr als nur ein körperliches Verlangen, viel mehr als das Gefühl, das sie für den Mann empfunden hatte, den sie hatte heiraten wollen. Sie hatte Richard nie so geliebt, wie sie Iwan Sasonow liebte, und sie hatte Sasonow schon Monate geliebt, bevor sie seine Geliebte wurde. Sie hatte es vor sich selbst nicht wahrhaben wollen; sie hatte sich hinter ihrem Beruf und der Einbildung verschanzt, Männer seien ihr nach der einen, bösen Enttäuschung in Zukunft gleichgültig. Erst als sie ihn nach Marchwood mitnahm und erlebte, wie ihre Schwester ihn zu umgarnen versuchte, fiel der Schein von ihr ab, und sie empfand echte Eifersucht. Und weil sie ihn liebte, lag sie jetzt wach in einem Intourist-Hotel mit einer höchst gefährlichen Mission mitten in Russland. Sie hatte sich nicht deshalb darauf eingelassen, um Sasonow zu überzeugen, daß ihr Dienst es ehrlich mit ihm meinte. Sie war das Risiko nicht eingegangen, um seinen Befragern den Rücken zu stärken und sich beim Brigadier in ein gutes Licht zu setzen. All dies war ihr völlig gleichgültig gewesen. Sie war in die Sowjetunion gegangen, weil sie es nicht länger ertragen konnte, Sasonow um seiner Familie willen leiden zu sehen. Sie war in diesen Einsatz gegangen, weil ihr sein Glück mehr am Herzen lag als ihr eigenes. Das bedeutete für sie die eigentliche Liebe. Das hatte auch er gemeint, als er ihre Schwester mit der einfachen Bemerkung abtat: »Sie nimmt von den Männern nur. Ich brauche eine Frau, die auch gibt.«
    Davina richtete sich in den Kissen auf. Plötzlich kam ihr der Gedanke: Ich hasse Charley gar nicht mehr. Ich kann Charley verzeihen, denn sie hat mir nur etwas weggenommen, was für mich sowieso keinen Wert besaß. Sie gab mir die Freiheit, einen wirklichen Mann zu finden. Arme Charley. Bei all ihrer Schönheit und ihren Erfolgen glaube ich nicht, daß sie jemals so gefühlt hat, wie ich jetzt fühle … oder jemals ein solches Gefühl haben wird. Sie tut mir eigentlich leid.
    Davina schlüpfte aus dem Bett. Sie wollte eine Zigarette haben und allein sein – sie wollte Harringtons Atem nicht mehr hören. Vor allem wollte sie nicht, daß er aufwachte und sie störte. Sie schlüpfte in ihren Morgenmantel. Die Nacht war sehr warm. Sie tastete sich zum Frisiertisch und fand die Zigaretten und Harringtons Feuerzeug. Dann öffnete sie ganz leise die Balkontür und trat hinaus auf den schmalen Balkon. Der Mond war dreiviertel voll, das Ufer und die See lagen schwarz und silbrig unter ihr; kleine Wellen mit Schaumkronen rollten auf den Strand zu. Sie konnte das leise Zischen hören, wenn das Wasser den Sand und die kleinen Kiesel mit sich hinauszog. Von den Straßenlaternen unmittelbar unter ihr schimmerte etwas Licht herauf. Kein Laut war zu hören, nur das sanfte Rauschen der Wellen, und der Mondschein fiel wie eine helle, silberne Decke auf die Meeresoberfläche und verschwand am Horizont. Sie zündete die Zigarette an und lehnte sich gegen den Fensterrahmen. Als Kind war sie einmal mit ihrer Familie auf Urlaub in Cornwall gewesen, und sie waren alle in der Dunkelheit zum Baden hinausgegangen. Sie war im Mondschein hinausgeschwommen und hatte sich vorgestellt, wie leicht es sein müsse, auf ewig in dem silbernen Meer herumzuschwimmen. Sie erinnerte sich, wie ihr Vater plötzlich neben ihr aufgetaucht war und in scharfem Ton befohlen hatte umzudrehen, denn sie sei schon gefährlich weit hinausgeschwommen.
    Und dann sah Davina das Schiff. Es war hinter einem Felsvorsprung hervorgeglitten und erschien auf der dunklen Wasserfläche, übersät mit winzigen, glitzernden Lichtern. Sie sah es ganz langsam näher kommen, bis es die vom Mond beschienene Fahrrinne erreichte und die Lichter ausgingen. Es war kein großes Boot, und es war auch nicht sehr weit draußen. Es glitt weiter mit Kurs auf den Hafen. Es mußte eines der von Intourist betriebenen Kreuzfahrtschiffe sein, das gerade von einer Fahrt an der Küste entlang zurückkehrte.
    »Davina? Bist du es?«
    Sie drehte sich

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