Davina
sagte er dem Russen. »Irgendwelche internen Schwierigkeiten. Wir schicken ihnen die Bandaufnahmen sowieso, und vorläufig sind sie ganz zufrieden.«
Sasonow runzelte die Stirn.
»Merkwürdig«, sagte er. »Sie haben so großen Wert darauf gelegt, hier persönlich vertreten zu sein. Warum ist niemand entsandt worden, um seine Stelle einzunehmen?«
»Bestimmt wird jemand kommen«, parierte Kidson. »Mir ist es gleich, ob sie hier vertreten sind. Ich finde, sie sind eine schwierige Mischung. Nehmen Sie zum Beispiel diesen Burschen. Der Charme der alten Welt, die Auffassung eines Gentlemans aus dem Süden, und hinter der Fassade völlig skrupellos. Ich habe ihr grobschlächtiges Auftreten nie leiden können.«
»Mag sein«, sagte Sasonow. »Aber wir haben sie respektiert. Mehr als Ihren Geheimdienst. Sie bringen nur ungern feindliche Agenten um und lassen ihre eigenen Verräter lieber nach Russland entkommen, als sie vor Gericht zu stellen. Das haben wir nie verstanden. Ich verstehe auch Sie nicht.«
»Sie verstehen uns besser, als Sie zugeben wollen«, sagte Kidson. »Sie würden sich den sowjetischen Behörden stellen, nur um Ihre Familie und Davina Graham zu retten. Sie haben Ihr Leben und Ihre Laufbahn weggeworfen wegen der Dinge, die man Ihrem Freund angetan hat. Ich kann mir nicht vorstellen, daß unser Kollege aus Langley das gleiche tun würde.«
In seiner Stimme lag ein Anflug von Bitterkeit.
Er sagte zu Sasonow: »Wir fangen in zehn Minuten an. Gehen Sie schon ins Besprechungszimmer hinunter, ich komme nach.«
Als Sasonow gegangen war, trat er ans Fenster und öffnete es. Die warme Sommerluft strich über sein Gesicht; er hatte wieder einen Anfall von Migräne, die ihn immer plagte, wenn er im Stress war. Er wußte, daß der CIA keinen neuen Vertreter nach Hampshire entsenden würde. Man würde sich in Washington mit den Bandaufnahmen zufrieden geben.
Die Erklärung des Brigadiers, daß ein Doppelagent für das KGB arbeitete, hatte wahrscheinlich vorzeitig den Einsatz von Spencer-Barr veranlasst.
Ihre Reaktion darauf war eine Overkill-Maßnahme gewesen – im wahrsten Sinne des Wortes: Spencer-Barr hatte Wolkows Ermordung veranlasst, damit die Flucht aus Sewastopol stattfinden konnte. In den Instruktionen, die man ihm zugeschickt hatte, um den Fluchtweg zu ändern, war Wolkows Methode, im Alleingang zu arbeiten, erwähnt worden. Das hatte dem CIA-Mann in Moskau die Idee eingegeben, einer Verhaftung durch das KGB zuvorzukommen, indem er den Mann, der einen entsprechenden Befehl geben konnte, umbringen ließ. Spencer-Barr hatte die aus London stammenden Weisungen ignoriert und sich statt dessen an die Befehle Washingtons gehalten. Ohne zu ahnen, daß der Doppelagent und die eigentliche Gefahr für Irina Sasonowa in Livadia auf sie warteten, hatte er den ursprünglichen britischen Fluchtplan über See durchgegeben und alles Peter Harrington in die Hand gespielt. Und jetzt gab es nichts, was London dagegen hätte tun können. Sogar Spencer-Barrs Eingeständnis, daß er vor einem eingeschleusten KGB-Agenten gewarnt habe, würde an den Sowjetagenten weitergeleitet werden. Er und Grant hatten sich mit dem Sicherheitsbeauftragten in der Moskauer Botschaft verständigt. Aufgrund von Spencer-Barrs Eingeständnis und den ausweichenden Antworten des Herrn aus Langley konnte man die Katastrophe in all ihren Einzelheiten vorausberechnen. Es gab keine Möglichkeit, Davina Graham und die beiden jungen Russen zu warnen, daß sie mit einem KGB-Agenten gekoppelt waren. Die Zeit war zu kurz, um noch jemanden mit gültigen Papieren für einen Flug auf die Krim auszurüsten. Man schrieb bereits den 25. Juli, und der Ausflugsdampfer ›Alexander Newsky‹ lag bereits im Hafen, bereit, die Passagiere aufzunehmen. Das U-Boot der NATO war unterwegs von seinem türkischen Stützpunkt zum vereinbarten Treffpunkt im Schwarzen Meer.
Der Apparat mit seinem komplizierten Programm war angelaufen. Er und sein Chef und Grant konnten nichts anderes tun, als auf englischem Boden hilflos dazusitzen, während Harrington das Netz über seinen Opfern zuzog. Kidson war kein Mann von wilden Gefühlsausbrüchen, er war gegen extreme Äußerungen in jeder Form. Es war sein ganzer Stolz gewesen, niemanden wirklich zu hassen. Aber Peter Harrington hasste er so, daß er ihn sofort hätte umbringen können. Nicht nur weil er durch seinen Verrat dem Dienst schweren Schaden zugefügt hatte; das wäre der letzte Grund gewesen, weswegen er einem
Weitere Kostenlose Bücher