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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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gerichtet. Kein vernünftiger Mensch würde den Inhaber der roten Karte, mit dem Schild und den gekreuzten Schwertern auf der Vorderseite zur Rede stellen. Jedenfalls keiner mit einem so niedrigen Dienstgrad. Und man schaute solche Leute auch nicht an. Man tat, was einem befohlen wurde, und damit basta. Der Inhaber eines KGB-Ausweises war der einzige Sowjetbürger, für den keinerlei Bestimmungen Gültigkeit hatten.
    »Wo sind Irina und Alexei?« fragte Harrington.
    Davina drehte sich zu ihm um. »Ich konnte sie nicht finden«, sagte sie. Er wirkte entsetzt und machte einen merkwürdigen Eindruck. »Was soll das heißen? Wo ist deine Handtasche?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Warum?«
    Er bemühte sich so sehr, seine Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, daß er die Finger unwillkürlich einkrallte und wieder streckte. Er atmete schwer.
    »Ich bin wegen der Tasche in die Bar gegangen, und der Mann sagte mir, du hättest sie bereits abgeholt. Wo ist sie?«
    Sie zuckte mit den Achseln. Ein Gefühl der Verwegenheit überkam sie. Die beiden waren entkommen. Sie hatte sie in der Menschenmenge auf dem Kai untertauchen sehen. Die Handtasche mit dem aufgerissenen Futter schwamm irgendwo auf dem Meer.
    »Ich muß sie liegengelassen haben, als ich auf die Damentoilette ging«, sagte sie. »Ich dachte, du wolltest auf die Brücke gehen, um festzustellen, was eigentlich los ist. Was soll denn das ganze Theater wegen meiner Handtasche?«
    »Ich mache kein Theater«, sagte er langsam. »Man hat mich nicht zur Brücke durchgelassen. In deiner Handtasche befindet sich etwas sehr Wichtiges. Ich muß es haben. Ich habe es zur sicheren Aufbewahrung hineingelegt.«
    Das glaube ich dir unbesehen, verhöhnte sie ihn im stillen. Und du wirst nie erraten, wer gerade eben davon Gebrauch gemacht hat, um von Bord zu kommen …
    »Ich gehe noch einmal und suche sie«, sagte sie. »Warum siehst du dich nicht nach Irina und Alexei um? Ich bin gleich wieder zurück, wir treffen uns dann wieder.«
    Sie trödelte auf dem Weg zu den Toiletten und nahm sich nicht einmal die Mühe hineinzugehen. Sie ließ zehn Minuten verstreichen und kehrte dann wieder zurück. Er stand nicht an der Reling. Sie fand einen Deckstuhl und setzte sich hin. Sie hatte Zigaretten und Streichhölzer in der Tasche ihres Kleides – in der Tasche, wo sie seinen KGB-Ausweis versteckt hatte, bevor sie ihn Alexei übergab. Sie zündete sich eine Zigarette an, lehnte sich zurück und schloß die Augen. Die Hochstimmung war gewichen und hatte einem Anflug fröstelnder Angst Platz gemacht. Irgend etwas mußte geschehen sein; man hatte Maßnahmen gegen sie eingeleitet, sonst wäre es den Passagieren nicht untersagt worden, von Bord zu gehen. Sie konnte jetzt nichts weiter tun als abzuwarten … das Unausweichliche abzuwarten. Es bestand keine Hoffnung, ohne Harrington an das Segelboot heranzukommen, auch wenn die Sperre nichts mit ihnen zu tun hatte und bald aufgehoben werden würde. Und damit war nicht zu rechnen. Touristen wurden an Bord gelassen; es waren viele, und der Vorgang dauerte lange. Inzwischen mußten Irina und Poliakow den Segelhafen zu Fuß erreicht haben. Für sie, Davina, war es bereits zu spät. Sie saß noch auf ihrem Deckstuhl, als die letzten Touristen an Bord kamen und die Sonne unterging.
    Eine kühle Brise war aufgekommen, und sie erschauerte. Im Restaurant auf dem zweiten Deck begann das Orchester, die Instrumente zu stimmen. Der Tanz würde bald anfangen. Sie stand auf und trat wieder an die Reling. Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Das Segelboot müßte jetzt eigentlich schon Kurs aufs offene Meer genommen haben … es sei denn, Harrington war zum Kapitän vorgedrungen, und man hatte die beiden jungen Leute abgefangen. Sie schloß die Augen und wiederholte das schlichte Gebet: »Lieber Gott im Himmel! Lass es nicht zu! Lass sie davonkommen!« Und als sie Peter Harrington auf sich zukommen sah, merkte sie sofort an seinem schleppenden Gang und an der Art, wie er die Schultern hängen ließ, daß ihr Gebet erhört worden war.
    »Dort!« Alexei zog Irina an sich. »Dort sind sie – schau!« In dem Hafenbecken lagen viele Segelboote. Die meisten waren große Jachten, bei anderen handelte es sich um kleinere, im Privatbesitz befindliche Boote. Osteuropäische Flaggen waren zahlreich vertreten; diese Boote hatten außerdem aus Höflichkeit vor dem Gastland die Flagge mit Hammer und Sichel gesetzt. Rumänen, Ostdeutsche, Ungarn und Polen. Drei

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