Davina
polnische Boote waren da: ein großes seetüchtiges Schiff, ein kleineres Fahrzeug mit zwei Frauen an Deck, die die letzten Sonnenstrahlen genossen, und ein kleines, schlankes Segelboot mit einem Mast und einer Besatzung von drei Mann. Die polnische Flagge flatterte in der frischen Brise, die vom offenen Meer hereinwehte.
»Das müssen sie sein«, erklärte Alexei. »Frauen sind bestimmt nicht an Bord, und das Schiff daneben ist viel zu groß. Es ist das kleine Segelboot dort – ganz bestimmt!«
Sie traten näher an den Rand der Kaimauer heran; Irina nahm das hellgelbe Kopftuch ab. Einer der Männer auf dem kleinen Boot beobachtete die Anlegestelle und schien auf sie aufmerksam geworden zu sein. Sie schüttelte das Kopftuch aus und schwenkte es in der rechten Hand hin und her. Sofort winkte der Mann auf dem Boot zurück.
»Sie sind es«, flüsterte sie Alexei zu. »Sie sind …«
Mackie winkte ihnen lachend zu; für die Zuschauer sah es so aus, als ob sich alte Freunde begrüßten.
Mit Erstaunen hörte Irina, wie eine Stimme aus dem Boot ihnen auf polnisch zurief: »Hallo! Wir dachten schon, ihr würdet gar nicht mehr kommen – springt in das Schlauchboot!«
Das kleine Schlauchboot wurde ins Wasser gelassen. Einer der Männer zog an der Leine, um das Schlauchboot längsseits an die Kaimauer zu bringen. Er streckte Irina Sasonowa die Hand entgegen. Er hatte ein braungebranntes Gesicht und helle braune Augen; er entblößte blendend weiße Zähne zu einem breiten Lächeln.
»Halten Sie sich fest und kommen Sie rein«, sagte er auf polnisch. Sie ergriff seine Hand; er umspannte ihren Arm wie mit einem Eisenband, und seine Armmuskeln schwollen unter ihrem Gewicht an, als er ihr in das Schlauchboot half. Sie taumelte und hätte fast das Gleichgewicht verloren, bis er sie an einer Seite des Bootes niederließ. Er hielt Alexei Poliakow die Hand hin und half auch ihm hinein. Dann begann er, die Leine einzuholen, um sie längsseits des Segelboots zu bringen. Mit Hilfe der anderen kletterten sie an Bord. Niemand sprach ein Wort, aber zu Irinas Überraschung umarmte Mackie sie und küßte sie auf beide Wangen. Der Mann im Schlauchboot zog sich an den Kai zurück. Er machte das Schlauchboot fest und sprang ans Ufer. Das Segelboot war an einem Belegpoller festgemacht, er zog den Knoten der Leine auf und warf sie ins Wasser. Dann sprang er ins Schlauchboot, legte ab und paddelte die wenigen Meter zum Segelboot zurück. Alles geschah so schnell und mühelos, daß den Menschen am Kai keine Zeit blieb, ihre Hilfe anzubieten. Er schwang sich ins Segelboot; das Schlauchboot wurde an Bord gehievt und am Heck festgemacht.
Irina und Alexei wurden Gläser in die Hand gedrückt. Man stieß kurz mit ihnen an, als ob ein Trinkspruch ausgebracht würde, und dann nickte Mackie Bob Ferrie zu und formte mit den Lippen stumm die Worte: »Maschine anlassen, Anker lichten.« Das hämmernde Motorengeräusch übertönte ihre leise Unterhaltung. Man fragte sie auf polnisch: »Wo sind die anderen?« Und Irina antwortete: »Sie konnten nicht mitkommen. Einer war ein Verräter. Die andere blieb zurück, um uns zu helfen. Warten Sie nicht länger. Sie sagte, Sie müßten sich beeilen.«
Sie verbarg ihr Gesicht an Poliakows Brust und begann leise zu weinen, als der Anker an Bord geholt wurde und das Boot Kurs aufs offene Meer nahm. Von dem Augenblick an, da sie ihr Kopftuch hin und her geschwenkt hatte, bis zu dem Moment, wo der Motor abgestellt und das Segel beim Verlassen des Hafenbeckens gehisst wurde, waren weniger als fünfzehn Minuten vergangen. Ihr und Alexei kam die Zeit allerdings wie eine Ewigkeit vor. Nur die Besatzung schien heiter und gelöst. Alle lachten und warfen sich gegenseitig Bemerkungen zu, die sie für englisch hielt. Derjenige, der polnisch sprach, holte Pullover für seine Kameraden und für sie beide heraus.
»Es wird kalt werden«, sagte er. »Unsere Segelpartie wird etwa zwei Stunden dauern. Hoffentlich hält der Wind. Wollen Sie etwas essen?«
»Nein, vielen Dank«, sagte Alexei. Er zog Irina enger an sich. »Wohin fahren wir?«
Der Mann stellte dem Hünen, der Irina umarmt hatte, eine Frage. Mackie nickte. »Sag es ihnen ruhig. Es macht nichts, wenn sie es wissen.«
»Wir fahren zu einem Treffpunkt dicht vor Bulkina, in der Nähe des Vorgebirges. Bis dahin ist es dunkel, und wir finden dort unser U-Boot, das auf uns wartet. Morgen früh sind wir in Midina. Bleiben Sie ruhig sitzen, wir bekommen noch einen
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