Davina
er.
»Das ist sehr nett, wirklich sehr nett«, sagte Harrington. »Das würde mich freuen.«
Kidson hatte sie in Heathrow abgeholt. Davina wurde von einer Frau, die Harrington bislang noch nie gesehen hatte, zu einem anderen Auto geführt. Die Frau hatte den Arm um Davina gelegt und redete ihr begütigend zu. Sie sah wie eine Krankenschwester aus. Nachdem Kidson die Hände geschüttelt und ihm gratuliert hatte, fuhr er ihn von Heathrow nach Hampshire, wo er sich vor der Befragung einige Tage ausruhen sollte.
Es war ein schöner Tag, und Harrington lehnte sich in seinem Sitz zurück, um die Fahrt zu genießen. Seine Story war bis ins letzte Detail perfekt; er wußte genau, wie er sie vortragen mußte, mit der richtigen Mischung aus persönlicher Bescheidenheit und dem Bedauern über Davinas Zusammenbruch. Er würde sich als Kavalier erweisen und sie verteidigen, wenn es auch nur zur geringsten Kritik käme. Und ihre Freilassung war ausschließlich sein Verdienst: er hatte Tatitschew vom KGB überzeugt, daß die Leute drüben mehr zu verlieren als zu gewinnen hatten, wenn sie beide festhalten würden. Der britische Geheimdienst würde aus Irinas Flucht kein Kapital schlagen wollen; Poliakow würde weder Pressekonferenzen abhalten noch auf das Elend der Regimegegner in der Sowjetunion öffentlich hinweisen. Sowohl er als Davina Graham seien eigentlich ohne irgendwelchen Wert und kämen bestimmt nicht für eine Austauschoperation in Frage. Sie seien lediglich Agenten und jederzeit ersetzbar. Es gab natürlich auch Widersprüche. Das KGB steckte bekanntlich nur ungern einen Fehlschlag ein. Er mußte die Gründe, warum man sie beide freigelassen hatte, sehr überzeugend darstellen. Dabei würde ihm helfen, daß die Sowjets ähnliche Nachrichten auf anderen Kanälen durchsickern lassen würden. Er summte eine kleine Melodie vor sich hin und schaute in die grüne englische Landschaft hinaus.
»Ich hoffe, niemand wird Davy die Schuld in die Schuhe schieben wollen«, sagte er allen Ernstes, als sie durch das Tor des Ausbildungslagers hindurchfuhren und das große Gebäude am Ende der Auffahrt auftauchte.
»Davon kann gar keine Rede sein«, versicherte ihm Kidson. »Sie ist auf ein paar Tage in ein Sanatorium gegangen, dort wird sie von unseren Ärzten eingehend untersucht. Dann erhält sie Krankheitsurlaub. Ich hoffe nur, daß sie keinen psychischen Dauerschaden davongetragen hat. Aber sie ist eine widerstandsfähige Frau. Sie wird sich wieder erholen, wie Sie bereits gesagt haben. Hier sind wir.«
Der Wagen hielt, und er stieg aus. Harrington folgte ihm. Die imitiert-mittelalterliche Eingangstür wurde geöffnet, und Grant erschien. Er trat mit ausgestreckten Armen heraus. »Willkommen daheim«, sagte er. »Gut gemacht!« Harrington warf Kidson einen Blick zu und ging mit hinein.
Man servierte ihm ein sehr gutes Essen, dazu einen ausgezeichneten Château-Latour. Harrington fand, er könne sich wenigstens dieses Mal einige Schlucke leisten, und lobte den Wein. Sogar Grants so todernstes Gesicht verzog sich zu einem kurzen Lächeln, als ein gelockertes Gespräch zwischen den dreien aufkam. Portwein und Cognac wurden angeboten, und Kidson brachte eine Kiste Zigarren zum Vorschein.
»Ich muß schon sagen«, meinte Harrington grinsend, »ich komme mir wie der verlorene Sohn vor! Ich wünschte nur, daß auch Davina dabeisein könnte.«
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort«, sagte Kidson. »Ich kann ihr Blumen schicken lassen, wenn Sie wollen. Das würde sie vielleicht freuen.«
»Tun Sie das, bitte – und vielen Dank«, sagte Harrington. Grant warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Sie wirkte übergroß an seinem knochigen Handgelenk.
»Ich glaube, der Chef erwartet uns jetzt«, erklärte er. »Gehen wir ins Besprechungszimmer!«
Die Besprechung dauerte fast drei Stunden. Am Ende war Harrington abgespannt und müde; nach dem schweren Essen und dem Wein wirkte er verdrossen. Brigadier James White hatte die meisten Fragen persönlich gestellt. Er sparte nicht mit Lob über die Art und Weise, wie Harrington eine sich anbahnende Katastrophe zum Triumph gewendet hatte. »Sie haben Ihre alten Fähigkeiten nicht eingebüßt«, sagte er. »Sie sind so gut wie eh und je, mein Lieber. Ich glaube, wir werden Sie nicht in der Personalabteilung verkommen lassen!« Alle lachten.
»Vielen Dank, Sir«, sagte Harrington. »Jetzt, wo ich alle Fragen beantwortet habe, möchte ich selbst eine stellen.«
»Selbstverständlich«, nickte
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