Days of Blood and Starlight
auf und lehnte sich zurück, so dass die Schlangenfrau sich in ihrem Zimmer umsehen konnte. Als Issas Blick auf Zuzana und Mik fiel, weiteten sich ihre Augen. Sie lächelte, und oh, ihr Gesicht war so hübsch – es war nicht das Gesicht, das Karou gekannt und geliebt hatte, aber es war ähnlich madonnenhaft schön, ihre Haut genauso makellos und ihr Lächeln genauso süß –, und ihre Freude war so unmittelbar und so rein. Sie kannte Zuzana auf die gleiche Art, wie Zuzana sie kannte: aus Karous Skizzenbüchern. Mik war noch nicht im Bild gewesen, als die Portale abgebrannt waren. Zuze grinste etwas dümmlich und winkte der Schlangenfrau zu, worauf diese ein eingerostetes kleines Lachen ausstieß.
Karou flüsterte: »Issa, ich hab dir viel zu erzählen, und ich hoffe, du hast mir auch viel zu erzählen, aber das da draußen ist Thiago …« Im selben Moment, als sie auf die Tür deutete, vibrierte das Holz unter einem heftigen Tritt.
Bei der Erwähnung des Weißen Wolfs trübten sich Issas Augen. »Er lebt«, zischte sie.
»Ja, und er wird sehr überrascht sein, dich hier zu sehen.« Die Untertreibung des Jahrhunderts. Während Karou der Schlangenfrau beim Aufsetzen half, erklärte sie ihr, dass Thiago um keinen Preis erfahren durfte, wie Issa hierhergekommen war. Dann bedeutete sie Mik, eine der Holzplanken zu halten, während sie die andere ergriff.
»Karou« , knurrte Thiago, und von seiner falschen Ruhe war inzwischen nicht mehr viel übrig. »Mach die Tür auf. Bitte.«
Karou nickte Mik zu. Auf ihr Kommando entfernten sie die beiden Bretter und traten einen Schritt zurück, so dass die Tür bei Thiagos nächstem Tritt einfach aufflog. Sowohl der Weiße Wolf als auch Ten, die hinter ihm stand, fuhren heftig zusammen, als die Tür gegen die Wand krachte.
»Guten Morgen?« Karou betonte es wie eine Frage, und setzte ihren verwirrtesten, unschuldigsten Gesichtsausdruck auf. »Sorry. Ich war gerade mit einer Wiedererweckung beschäftigt und wollte sie nicht mittendrin unterbrechen.« Sie sah Ten an. »Du weißt ja, wie ich darüber denke.«
Thiagos Augenbrauen zogen sich zusammen. »Eine Wiedererweckung? Wer?« Er warf einen Blick in ihr Zimmer, sah aber nur Mik und Zuzana. Die offene Tür versperrte ihm die Sicht auf Issa. Karou schob sie weg, und als der Weiße Wolf sah, wer da auf ihrem Boden saß, weiteten sich seine Augen erst und verengten sich dann. Auch Ten schaute verblüfft drein und bedachte Karou dann mit einem argwöhnischen Blick.
Bevor einer der beiden Wölfe irgendetwas sagen konnte, meinte Karou in leicht vorwurfsvollem Ton: »Du hast mir nie gesagt, dass Issas Seele da drin war.« Sie deutete auf die Lawine von Turibula. »Hast du eine Ahnung, wie viel schneller ich mit den Wiedererweckungen vorangekommen wäre, wenn sie mir geholfen hätte statt Ten?«
Es war ein befriedigendes Gefühl, den Weißen Wolf sprachlos zu sehen. Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber nichts kam heraus. »Das … das kann nicht sein«, stieß er schließlich hervor.
»Oh doch, das kann es«, widersprach sie. »Du siehst es ja selbst.«
Natürlich war es unmöglich, dass sie Issas Seele in ihrem Vorrat an Turibula gefunden hatte, das wussten sie beide. Die dort gestapelten Seelen waren samt und sonders Soldaten, die unter Thiagos Kommando in der Schlacht um Kap Armasin umgekommen waren; Issa hätte niemals unter ihnen sein können. Doch jetzt war sie hier, und Karou sah genüsslich zu, wie Thiagos Gesichtsausdruck von Erstaunen über Verwirrung zu Frustration wechselte, während er dieses Rätsel zu lösen versuchte – ohne Erfolg.
Schließlich entschied er sich für Unglauben. »Wessen Seele ist das wirklich, und warum hast du unsere Ressourcen für so einen Körper verschwendet?«
Issa selbst antwortete ihm. »So einen Körper?«, wiederholte sie und sah an sich hinab. »Seit wann sind Naja eine Verschwendung von Ressourcen?« Es war eine gute Frage; Issa war keine Kriegerin, aber viele ihrer Art, wie Nisk und Lisseth, waren es.
Thiagos Erwiderung war kurz und schroff. »Weil wir fliegen können müssen und die Naja keine Flügel haben.«
»Und wo sind deine Flügel?«, konterte Issa. Sie wandte sich Ten zu und musterte sie von oben bis unten. »Und deine?«
Noch mehr gute Fragen. Thiago antwortete nicht. »Wer bist du?«, wollte er wissen.
»Ich versichere dir, Thiago, dass ich wirklich die bin, als die Karou mich vorgestellt hat.« Langsam und noch etwas unbeholfen entrollte sie ihren
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