Days of Blood and Starlight
beginnen?«, fragte sie. Blieb stehen, starrte ihn an, hob die Hände. Ihre schwarzen Hände. »Du hast gesagt, man müsste nur anfangen. Also, wie machen wir das?«
Anfangen? »Erbarmen erzeugt Erbarmen«, hatte er zu ihr gesagt. »Meinst du …?« Er konnte es kaum glauben.
»Harmonie mit den Bestien?«, beendete sie seine Frage. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich es satthabe, Befehle von Männern wie Joram oder Jael zu befolgen. Ich weiß, dass jede Nacht ein Mädchen die Himmelsbrücke überqueren muss und dass niemand ihr hilft. Das sind unsere Mütter .« Ihre Stimme war heiser. »Sie sagen, wir wären Waffen und dass Waffen keine Mütter haben, aber ich hatte eine, und ich kann mich nicht mal an ihren Namen erinnern. Ich will so nicht mehr sein. Ich … ich kann das nicht mehr.« Erneut hob sie die Hände. »Ich habe Dinge getan …« Ihre Stimme brach.
Hazael zog sie an sich. »Das haben wir alle, Lir.«
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Augen waren groß und hell. Keine Tränen, nicht bei Liraz. »Nicht so wie ich. Das könntet ihr nicht. Ihr seid gut. Ihr beide, ihr seid so viel besser als ich. Ihr habt ihnen geholfen, oder nicht? Während ich … während … ich …« Sie verstummte.
Akiva nahm ihre Hände in seine, verdeckte die schwarzen Linien, damit sie sie nicht mehr sehen musste. Er erinnerte sich daran, was Madrigal vor Jahren zu ihm gesagt hatte, die Hand auf seinem Herzen und seine auf ihrem. »Krieg ist alles, was man uns gelehrt hat, Lir«, gab er ihre Worte an seine Schwester weiter. »Aber wir können uns ändern. Wir werden immer noch wir sein, nur …«
»Ein besseres Wir?«
Er nickte.
»Wie?« Liraz’ Unruhe kehrte zurück. Sie schüttelte seine Hände ab und lief erneut rastlos auf und ab. »Ich muss irgendetwas tun. Sofort.«
»Wir fangen an, andere für unsere Sache anzuwerben«, antwortete Hazael. »Das ist unser erster Schritt. Ich weiß, mit wem wir anfangen können.« Ja, natürlich wusste er das.
»Das dauert zu lange«, widersprach Liraz heftig.
Und Akiva stimmte ihr zu. Solch eine schrittweise Vorgehensweise war zeitaufwendig, und sie hatten keine Zeit.
»Liraz hat recht. Wie viele würden noch sterben, während wir unsere Pläne schmieden?«
»Was schlägst du dann vor?«
In weiter Ferne konnte Akiva eine Formation von Sturmjägern ausmachen, die in halsbrecherischem Tempo über den Himmel rasten. Die riesigen Vögel wurden von ihrem inneren Kompass stets dorthin geführt, wo der Wind am stärksten war, wo Stürme wüteten, Gewitter tobten und wo der kleinste Fehltritt den Tod bedeutete. Niemand wusste genau, warum sie das taten, aber in diesem Moment fühlte er den gleichen Drang in sich selbst – den Drang, sich in seinen eigenen Sturm zu stürzen.
»Es stand schon immer als erster Schritt fest. Ich hätte es nur schon vor achtzehn Jahren tun sollen«, erklärte er. Solange Joram an der Macht war, würde die Welt nichts als Krieg kennen. Mit gerunzelter Stirn sahen Hazael und Liraz ihn an und warteten gespannt auf seine Antwort.
Akiva begegnete ihrem Blick. »Ich werde unseren Vater töten.«
Honig und Gift
Der Körper lag auf dem Boden, eine fast perfekte Nachbildung der Person, um die sie getrauert hatte. Als Karou aus ihrer Trance erwachte und ihn vor sich sah, stieß sie ein leises Schluchzen aus und musste gegen den Drang ankämpfen, sich auf die Knie fallen zu lassen und ihr Gesicht an der ihr so vertrauten Halsbeuge zu vergraben. Aber noch war der Körper nur eine Hülle, noch war er nicht von der Seele erfüllt, die ihre Umarmung erwidern würde. Die Sonne war aufgegangen, und Ten könnte jeden Moment hereinstürmen. Karou wollte keine Zeit mit dem Entfernen ihrer Schraubzwingen verschwenden, und so hinterließen sie ein paar hässliche Kratzer und Schrammen, als sie sie hastig löste.
»Hey, pass auf!«, rief Zuzana erschrocken aus. »Hör sofort auf, dir weh zu tun!«
Karou ignorierte die wild fuchtelnden Hände ihrer Freundin. »Beeil dich. Zünd den Weihrauch an.«
»Ich glaube, da kommt jemand«, flüsterte Mik ihnen von der Tür aus zu.
Karou nickte. »Bretter«, sagte sie schlicht. Mik schloss die Tür und versperrte sie. Sie hatten den Riegel nicht ersetzt – die großen Eisennägel wieder in die Wand zu hämmern, hätte viel zu viel Lärm gemacht –, aber Mik hatte die Idee gehabt, zwei Rillen im Boden auszuhöhlen, in denen er jetzt die Holzplanken verkeilte und so an die Tür lehnte, dass sie zwischen der Klinke und
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