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Days of Blood and Starlight

Days of Blood and Starlight

Titel: Days of Blood and Starlight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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Akivas Fingerspitzen zeichnen ihre Augenlider nach, streichen sanft über ihre Wangen. Sie kann seinen Blick auf sich spüren wie einen Lichtschein. Von Akiva angesehen zu werden ist, als würde sie in der Sonne stehen.
    »Ich weiß, dass du wach bist«, flüstert er, nahe an ihrem Ohr. »Glaubst du, das merke ich nicht?«
    Sie hält ihre Augen geschlossen, aber lächelt, womit sie sich verrät. »Psst! Ich habe einen schönen Traum.«
    »Es ist kein Traum. Es ist alles real.«
    »Woher willst du das wissen? Du kommst darin nicht mal vor.« Sie fühlt sich ausgelassen, erfüllt mit Glück. Mit Richtigkeit .
    »Ich bin in ihnen allen«, widerspricht er. »Dort lebe ich jetzt.«
    Ihr Lächeln verschwindet. Einen Moment lang kann sie sich nicht erinnern, wer sie ist oder wann . Ist sie Karou? Ist sie Madrigal?
    »Mach die Augen auf«, flüstert Akiva. Seine Finger kehren zu ihren Lidern zurück. »Ich will dir etwas zeigen.«
    Mit einem Mal erinnert sie sich und weiß plötzlich genau, was er ihr zeigen will. »Nein!« Sie versucht sich abzuwenden, doch er hält sie fest. Er zwingt ihre Augen auf. Seine Finger ziehen, reißen , aber seine Stimme ist nach wie vor sanft.
    »Sieh es dir an«, drängt er. Zieht. Reißt. »Sieh es dir an.«
    Und das tut sie.
    ***
    Karou ächzte. Es war einer dieser Träume, die den Raum zwischen zwei Sekunden einnehmen und beweisen, dass Schlaf seine eigene Physik hat – wo die Zeit schrumpft und anschwillt, ein Leben sich in einem einzigen Augenblick abspielt und Städte im Handumdrehen zu Asche zerfallen. Eben noch saß sie aufrecht da, hellwach – zumindest hatte sie das gedacht –, und plötzlich zuckte sie zusammen und ließ den Tigerbackenzahn fallen, den sie in der Hand gehalten hatte. Mit einer blitzschnellen Bewegung berührte sie ihre Augen. Sie konnte noch den Druck von Akivas Fingern darauf spüren.
    Ein Traum, nur ein Traum. Verdammt. Wie hatte er sie so kalt erwischt? Lauernde Aasfresser-Träume, die sie umkreisten und nur darauf warteten, dass sie wegdöste. Sie senkte die Hände wieder und versuchte, ihren wilden Herzschlag zu beruhigen. Es gab nichts mehr, wovor sie Angst haben müsste, denn sie hatte bereits das Allerschlimmste gesehen.
    Die Angst ließ sich leicht vertreiben. Die Wut allerdings war etwas ganz anderes. Dass sie so eine Welle von Richtigkeit überkam, nach allem, was passiert war … Das war eine dreckige Lüge. Akiva stellte für sie absolut nichts Richtiges mehr dar. Das Gefühl hatte sich aus einem anderen Leben eingeschlichen, in dem sie Madrigal aus dem Stamm der Kirin gewesen war, die einen Engel geliebt hatte und dafür gestorben war. Aber sie war nicht mehr Madrigal und auch keine Chimäre. Sie war Karou. Ein Mensch.
    Mehr oder weniger.
    Und sie hatte keine Zeit für Träume.
    Auf dem Tisch vor ihr, matt im Schein zweier Kerzen, lag eine Kette. Sie bestand aus Menschen- und Hirschzähnen, Karneolperlen, achtseitigen Eisenspänen, länglichen Fledermausknochen und einem einzigen Tigerbackenzahn, der dem Ganzen eine unschöne Asymmetrie verlieh – sein Partner war unter dem Tisch gelandet, als sie ihn fallen gelassen hatte.
    Asymmetrie war bei den Wiedergänger-Ketten gar nicht gut. Jedes Element – Zahn, Perle und Knochen – hatte direkte Auswirkungen auf den entstehenden Körper, und ein fehlender Zahn konnte durchaus einen fehlenden Körperteil bedeuten. Karou schob ihren Stuhl zurück, kniete sich hin und tastete in der Finsternis unter ihrem Arbeitstisch herum. In den Ritzen des kalten Steinbodens stießen ihre Finger auf Mäuseköttel, abgerissene Bindfäden und etwas Feuchtes, von dem sie hoffte, dass es nur eine verfaulte Traube war. Ich will es lieber nicht so genau wissen, dachte sie und suchte weiter, fand aber keinen Zahn.
    Wo bist du, Zahn?
    Sie hatte keinen Ersatz, Tigerzähne waren selten, und diesen hatte sie erst vor ein paar Tagen in Prag beschafft, zusammen mit seinem Partner. Tut mir echt leid, dass dir ein Bein fehlt, Amzallag , würde sie sich entschuldigen müssen. Aber ich habe einen Zahn verloren.
    Der Gedanke brachte sie zum Lachen, ein rauer, erschöpfter Laut. Sie konnte sich gut vorstellen, wie das ausgehen würde. Na ja, Amzallag würde sich wahrscheinlich nicht mal beschweren. Der humorlose Chimärensoldat war in so vielen verschiedenen Körpern wiedererweckt worden, dass er es wahrscheinlich ohne große Mühe wegstecken und lernen würde, mit nur einem Bein klarzukommen. Aber nicht alle Soldaten waren so

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