Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
hätte sie seit Jahren nichts anderes getan. Ihr Gesicht war von frischen Narben entstellt. Ihre Augen schienen älter zu sein als sie selbst.
Sie half ihm auf die Beine und reichte ihm eine ihrer Pistolen. Sie deutete auf die Verwundeten, die keuchend und ächzend in größer werdenden Blutlachen auf dem Boden lagen.
» Erledige sie, dann kannst du mit uns kommen « , sagte sie.
So begegnete Ethan Anne.
DAS KRANKENHAUS
Der Bradley fährt auf die freitragende stählerne Liberty Bridge und nimmt in einem gemächlichen Tempo die 150 Meter lange Mittelöffnung über den Monongahela River in Angriff. Mehrere herrenlose Autos versperren die vierspurige Brücke, doch Sarge möchte kein Risiko eingehen. Er weiß, dass eine Einheit der Nationalgarde in dem vergeblichen Bemühen, die Ausbreitung der Seuche zu verhindern, in diesem Gebiet einige Brücken zerstört hat, und möchte nicht in ein großes Loch fahren und zehn Meter tief in das schlammige Wasser darunter fallen.
Je näher sie dem anderen Flussufer kommen, das von verlassenen Behelfsbarrikaden blockiert ist, umso dichter stehen die Fahrzeuge. Stapel starrer Leichen liegen vor dem Maschinengewehr, das hinter einem Sandsackhaufen aufgebaut ist, und ziehen die Fliegen an. Der Bradley beschleunigt, durchfährt die Szenerie und lässt unter seinen Ketten Schädel platzen.
Sie kommen in die Wohnviertel der South Hills. Sarge öffnet die Luke, wirft an der frischen Luft einen Blick in die Runde und entdeckt noch mehr Barrikaden und Leichenhaufen. Einige Barrikaden haben offenbar gehalten; andere sind überrannt worden. Es hat alles nichts genützt, denn wo die Barrikaden gehalten haben, geht die Seuche um und hat sie schlussendlich bedeutungslos gemacht. Plastiktüten und Müllfetzen tanzen, vom Wind getragen, in der Luft. Ein zerfetztes T-Shirt hängt an den Zweigen eines Baumes und winkt ihm ein Bye-bye zu. Ein anderer Baum brennt wie eine riesige Fackel und verbreitet Hitze, Funken und Ascheflocken. Über ihnen fliegen zwei militärische Düsenmaschinen dahin. Sie erinnern ihn daran, dass die Regierung noch immer ihr eigenes Volk bekämpft.
Die Häuser sind mit Graffiti beschmiert. Nachdem die Brüllerei überall auf der Welt mehr als eine Milliarde Katatoniker auf dem Boden hat zucken lassen, haben hiesige Freiwillige zusammen mit örtlichen Behörden sämtliche Häuser nach Menschen abgesucht und sie dorthin gebracht, wo sie Pflege erhalten. Noch immer sind orangefarbene Plakate an den Straßenlaternen befestigt und fordern den Bürger auf, Sondernummern anzurufen, um AEG s zu melden, die abgeholt werden sollen. Viele Türen hat man mit einem schwarzen X besprüht, um Häuser zu markieren, die durchsucht und von den AEG -Opfern gesäubert worden sind. Die Tragödie besteht darin, dass jene braven Menschen, die den Schreiern geholfen haben, damit sie nicht verhungern oder austrocknen, ihren eigenen Untergang dummerweise selbst eingeleitet haben. Manche Gebäude weisen andere Graffiti auf: Als die Menschen aus ihren Wohnungen geflohen sind, haben sie Botschaften gesprüht. Andere Flüchtlinge haben die ihren hinzugefügt und die Hauswände zur Kommunikation genutzt. Namen und Daten. Vermisste. Richtungs- und Wegangaben. Geh nach Süden. Umgeht das Polizeirevier. Bill, ich gehe Oma holen. Andere Inschriften warnen Reisende vor Verseuchungen, geben Empfehlungen zu allem Möglichen, von der Wasserreinigung bis zu wirkungsvollen Tötungsmethoden, oder bieten Tauschgeschäfte an. Manche Graffiti sind einfach nur Markierungen. Frisch formierte Milizen beanspruchen Territorien. Prahlhänse verkünden, wie viele sie getötet und wie lange sie gedient haben. Totemsymbole, in aller Eile hingekritzelt. Pfeile. Warnungen vor Biogefährdung. Totenschädel und gekreuzte Knochen.
Die Infizierten wanken umher und halten sich den Kopf. Sie heulen in einem ständigen Zustand metaphysischer Pein. Sie schauen finster drein und fletschen die Zähne, als Sarge in seinem gepanzerten Fahrzeug an ihnen vorbeifährt.
Die Überlebenden finden den hochgewachsenen muskulösen Mann auf einer Veranda vor dem Haus. Er trägt Bademantel und Boxerhorts, schreit herum und schwenkt eine Pistole in der rechten und einen ramponierten zugeklappten Regenschirm in der linken Hand. Auf den Haustüren sämtlicher Nachbarhäuser ist ein großes schwarzes X zu sehen. Die Brüllerei hat das Viertel offenbar ausgerottet und diesen Mann als einzigen Überlebenden zurückgelassen.
» Das hier ist mein
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