Dead Beautiful - Deine Seele in mir
–?«
»Hier und da«, antwortete er und schob meine Frage zur Seite. »Eigentlich nirgendwoher.«
Misstrauisch schaute ich ihn an. Was sollte das bitte heißen? Obwohl ich mir, ehrlich gesagt, auch nicht vorstellen konnte, dass er irgendwo herkam. Er sah zu gut aus und war zu geheimnisvoll, um von irgendwoher zu stammen.
Dante fuhr fort, ehe ich weiterfragen konnte. »Und warum bist du dann hierhergekommen? Du scheinst mir keine durchschnittliche Gottfried-Schülerin zu sein.«
»Wieso?«, gab ich beleidigt zurück, »weil ich keinen Treuhandfonds und keinen Sommersitz habe?«
»Weil du sagst, was du denkst.«
»Aha.« Ich wandte den Blick ab. »Und das tut man am Gottfried nicht?«
»Nicht wie du zu mir beim Herbsterwachen. Oder zu Mrs Lynch heute Morgen.«
Ich seufzte. Das hatte er also mitgekriegt. »Ich bin so viele Regeln nicht gewöhnt. Meine alte Schule war … entspannter.«
»Haben dich deine Eltern hergeschickt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Mein Großvater …« Meine Stimme verlor sich.
Ich spürte, wie Dante mein Gesicht angestrengt musterte.
»Hast du Eltern?«, fragte ich, bevor ich merkte, was für eine dämliche Frage das doch war. Eltern hatte ja jeder.
Dante zögerte. »Nein, nicht wirklich.«
»Was meinst du mit nicht wirklich ?«
»Nichts«, sagte er. »Ist nur … ach, egal.«
Ich stützte mein Kinn auf die Faust und versuchte, mir einen Reim auf seine Reserviertheit zu machen. »Warum tust du so geheimnisvoll?«
»Ich tue nicht geheimnisvoll«, sagte er lächelnd. »Es gibt nur einfach nichts zu erzählen.«
Ich runzelte etwas verschämt die Stirn. »Zumindest nichts, was du erzählen willst.«
Um uns herum guckten alle in ihre Lehrbücher, während Professor Starking irgendetwas über Kräfte vortrug. Ich blätterte planlos in meinem Buch, in Gedanken mehr bei Dante als bei den Vektoren vor mir.
Da kam beinahe so etwas wie ein Lächeln von ihm. »Ich glaube, wir beide haben uns einfach auf dem falschen Fuß erwischt. Wollen wir noch mal von vorne anfangen?« Er streckte seine Hand unter dem Tisch aus. »Ich bin Dante«, sagte er.
Ich betrachtete die Linien auf seinen Handflächen und die hervorschimmernden Venen an den Armen, bevor ich antwortete. »Renée«, sagte ich leise und ließ meine Hand in seine gleiten.
Seine Haut war kalt und ich spürte ein Kribbeln in meinen Fingern, als ob sie gerade taub würden. Unsere Augen trafen sich, mein Gesicht wurde warm und rot und in meinem Bauch flatterte es wie in einem Vogelkäfig. Es war beängstigend; so etwas war mir noch nie passiert und ich konnte nicht begreifen, weshalb so merkwürdige Dinge mit mir geschahen. Das waren nicht nur die Nerven oder die Schmetterlinge. Die hatte ich auch bei Wes gespürt. Das hier war anders – es war Furcht einflößend, beinahe übernatürlich. Ich klappte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber es kam nichts raus.
Rasch zog er seine Hand zurück und das Gefühl in meinen Fingern kehrte langsam wieder. Ich blinzelte, aber alles außer Dante schien gedämpft und weit entfernt. Ich starrte ihn an – entsetzt, verwirrt, erregt –, betrachtete seine geöffneten Lippen, durch die er Luft in seinen Körper sog, während er zu verstehen versuchte, was da gerade geschehen war. Ich wusste: Nichts würde mehr so sein wie vorher.
Fünftes Kapitel
Gartenbau
D ante war komplett verkehrt für mich. Ungesellig. Streng. Intellektuell versnobt. Das sagte ich zumindest Annie. Es war Donnerstag und das Ende meiner ersten Woche Unterricht näherte sich. In der abendlichen Dunkelheit rief ich sie an. Das verknotete Telefonkabel hatte ich quer durchs Zimmer gezogen, bis unter die Bettdecke, wo ich in den Hörer flüsterte, um wenigstens den Ansatz von Privatsphäre zu wahren.
»Er ist das genaue Gegenteil von Wes. Und Wes ist perfekt, oder? Und was sagt das also über Dante aus?«, fragte ich sie. Die ganze Woche lang hatte ich versucht, mir einzureden, dass ich mich nicht für Dante interessierte. Ich wollte mich ihm nur so weit nähern, dass ich ihn über Benjamin ausquetschen konnte. Aber ich wusste, dass ich mir damit nur selbst etwas vormachte. Als sich in Rohwissenschaften unsere Hände berührt hatten, hatte er erst seine Hand und dann meine verwirrt und ungläubig angestarrt. Unterm Tisch öffnete und schloss er die Faust und sah zu, wie seine Knöchel weiß hervortraten.
Er wandte sich zu mir. »Hast du …?«
Doch als er mein Gesicht betrachtete, verlor sich seine Stimme. Hatte er gespürt,
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