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Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Woon
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das mich interessierte. Überraschenderweise waren die humanistischen Fächer am Gottfried überhaupt nicht veraltet; ich hatte sogar das Gefühl, dass sie mir in Zukunft einmal nützlich sein würden, obwohl mir nicht klar war, wie. An Dante und Eleanor wollte ich gar nicht denken, noch nicht mal an Nathaniel. Sicher, das Gottfried war unsere einzige Gemeinsamkeit, aber jetzt, wo meine Eltern nicht mehr da waren, war das alles, was mir blieb.
    Das Büro der Rektorin lag im Nordflügel von Haus Archebald. Calysta van Laark stand vor einem hohen Buntglasfenster und liebkoste eine Siamkatze, die auf dem Fensterbrett saß. Eine zweite Katze schmiegte sich um ihre Knöchel. Das schlohweiße Haar der Rektorin war rechts gescheitelt und mit einem silbernen Kamm hochgesteckt; eine kurze, wirre Locke fiel ihr übers linke Auge.
    Als sie uns eintreten sah, verließ sie das Fenster undsetzte sich in einen pflaumenblauen Samtsessel hinter ihrem Schreibtisch. Lautlos folgte ihr die Katze vom Fensterbrett und sprang in ihren Schoß.
    Eine riesige Wandmalerei von Michelangelos Jüngstem Gericht nahm eine ganze Seite des Raums ein. Der bloße Anblick war zum Fürchten. An der Decke thronten auf Wolkenbetten Engel, von deren rundlichen Gesichtern rosa Farbe abblätterte. Unter ihnen klammerten sich Männer, Frauen und Kinder in Pulken aneinander, hielten sich die Augen zu und verbargen ihre halb nackten Körper. Mit schmerzverzerrtem Gesicht warteten sie auf den allerletzten Sturz. Dämonen mit Knüppeln und Dreizacken zerrten sie an ihren Knöcheln zum Abgrund, während sie wild in der Luft herumruderten und nach allem haschten, was sie in der blauen Welt hinter ihnen halten könnte.
    Der Boden des Büros war aus dunklem Marmor. Lateinische Worte waren darin eingraviert und mit dem, was ich von Dante gelernt hatte, übersetzte ich es grob: Den Geist eines Kindes zu erfassen, heißt, unsterblich zu werden. Es war derselbe Satz, den die Rektorin beim Herbsterwachen rezitiert hatte, als die Wächter angetippt wurden.
    »Renée«, sagte die Rektorin und streichelte die Katze. An ihrem schlanken Mittelfinger steckte ein mächtiger Saphirring. »Willkommen.« Ihr Tonfall war überraschend freundlich. Hinter ihr, halb verdeckt von ihrem Schreibtisch, stand eine verglaste Holzvitrine, scheinbar gefüllt mit einer Sammlung goldener Spazierstöcke. Über jedem Stock hing eine Plakette mit Namen und Daten. Konnte diese Frau Cassandra lebendig begraben haben? Jetzt, wo ich ihrgegenüberstand und beobachtete, wie sie ihre Katze kraulte, schien der Gedanke grotesk.
    Mrs Lynch legte sofort los. »Sie war nach der Sperrstunde draußen, in der Begleitung von diesem Dante Berlin. Und als ich ihnen befahl, anzuhalten, sind sie mir weggerannt. Außerdem verstößt das Mädchen gegen die Kleiderordnung.«
    »Sie hat uns nicht befohlen, anzuhalten«, platzte ich heraus, bevor mir klar wurde, dass das einem Geständnis gleichkam. Seufzend schaute ich an mir hinab, um meinen Rock zu untersuchen. Er entsprach durchaus der Kleiderordnung.
    »Die Bluse hängt raus. Und in der Strumpfhose ist eine Laufmasche.«
    Ich drehte mich um und prüfte die Rückseite meiner Beine, wo sich ab der linken Ferse eine lange Laufmasche hocharbeitete. »Dafür kann ich nichts!«, protestierte ich.
    »Vielen Dank, Lynette«, sagte die Rektorin begütigend. »Würdest du uns einen Moment allein lassen?«
    Mit einem steifen Nicken verzog sich Mrs Lynch nach draußen.
    »Bitte«, sagte Rektorin van Laark, »nehmen Sie doch Platz.«
    Ich setzte mich ihr gegenüber auf einen unbequemen Lederstuhl und starrte auf ihre Brosche, die Ähnlichkeit mit einem Bären hatte. Auf ihrem Schreibtisch befanden sich eine Sanduhr, ein Globus, ein Stoß Papiere und ein kleiner Bücherstapel. Hinter dem Tisch war eine schmale Wendeltreppe in den Stein gehauen, die wahrscheinlich ins Innerste des Gebäudes führte.
    Die Rektorin lächelte. »Also, Sie haben sich nach der Sperrstunde rausgeschlichen, um sich mit einem Jungen zu treffen?«
    Ich schluckte und nickte. »Nur ein Freund.«
    »Wie sind Sie rausgekommen?«
    Ich konnte ihr schlecht von den Kaminen erzählen, ohne dass sie endgültig zugemauert würden. »Ich hab gewartet, bis Mrs Lynch in einem anderen Stockwerk war.«
    Die Rektorin sah mich forschend an. »Aha. Und dann sind Sie weggelaufen, als man Sie erwischt hat?«
    Ich nickte. »Aber das war keine Absicht. Ich hab einfach nicht nachgedacht. Es war so finster und verregnet. Ich hab sie

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