Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Woon
Vom Netzwerk:
wenn sie ein weiteres Stück Holz obenauf legte. Frustriert pfefferte sie einen Ast zu Boden und nahm einen großen Schluck aus ihrer Wasserflasche. Als sie meinen halb fertigen Scheiterhaufen erspähte, huschte ein Ausdruck des Schreckens über ihr Gesicht, das sich rasch zu einer hasserfüllten Grimasse verzerrte.
    Ich ließ sie links liegen, wischte mir die Hände am Rock ab und schlenderte wieder in den Wald, um mehr Zunder zu sammeln.
    Auf dem Rückweg kam ich an Anya vorbei, die verzagt auf dem Boden hockte, umgeben von Stöckchen, Hölzern und belaubten Ästen. Ihr Gesicht war schmutzverschmiert.
    »Alles okay mit dir?« Ich beugte mich zu ihr herunter.
    Sie warf die Hände empor. »Egal, wie ich’s anstelle, sie kippen immer um. Keine Chance.«
    Ich wartete, bis alle anderweitig beschäftigt waren, und arrangierte ihre Stöckchen flink in die Grundform einesZylinders. »Mach’s so.« Dann kehrte ich zurück an meinen Platz.
    Am Ende der Stunde konnten nur Noah und ich einen fertigen Scheiterhaufen aufweisen, der auch das Gewicht eines Menschen tragen konnte; alle anderen fielen in sich zusammen. Meiner sah aus wie eine Wendeltreppe, die sich um einen Sockel schlang. »Wunderschön«, sagte der Rektor und stupste gegen die Basis, um das Fundament zu überprüfen. Aber der von Noah war ein wahres Kunstwerk. Er bestand aus Hunderten von schmalen Holzstückchen, die um das Podest herum gitterförmig angeordnet waren wie das Innere einer Muschel. Er wirkte unsicher, als der Rektor aufstand und mit vor Staunen weit aufgerissenen Augen seine Hand über die Verbindungen der Hölzchen gleiten ließ.
    »Bemerkenswert«, sagte er.
»Tout simplement remarquable.«
    Und mit diesen Worten entzündete der Rektor ein Streichholz und setzte den Haufen in Brand. Die Flamme sprang sofort über und eilte wie mit schnellen Fingern über das ganze Gebilde. Aber als er ein Streichholz gegen meinen hielt, geschah gar nichts.
    »Ihr Holz ist nass«, bemerkte er, nachdem er einen Ast berührt und seine Finger gegeneinandergerieben hatte.
    »Was?«, fragte ich. »Aber ich hab doch extra trockenes, totes Holz gesammelt. Da war gar nichts feucht.«
    Der Rektor gab mir keine Antwort. Stattdessen steckte er noch ein Streichholz an und dann noch eines, bis das Holz endlich Feuer fing. Aber als die Flamme auf den Rest des Haufens übergriff, füllte sich die ganze Lichtung mit dichtem, schwarzem Rauch.
    Hustend traten alle die Flucht an, versuchten, den Rauch wegzufächeln.
    »Was passiert hier?«, fragte ich. »Ich begreif das nicht.«
    Der Rektor griff sich eine Axt und zerlegte den Scheiterhaufen mit drei gezielten Schlägen. Der Turm klappte auseinander, das Feuer erlosch und der Rauch verzog sich. In der Mitte meines Scheiterhaufens lag ein unordentlicher Haufen feuchter Blätter, aus deren Asche zischend Rauch aufstieg.
    »Aber die hab ich da nicht hingetan«, sagte ich. »Ich würde doch nie nasses Laub in meinen Scheiterhaufen stecken.«
    Ich sah mich in der Lichtung um, aber den anderen schien das völlig egal zu sein. Als alle ihre Sachen zusammenpackten, fiel mein Blick auf Clementine, die mich unmerklich anlächelte und sich dann nach ihrer Wasserflasche bückte. Sie war leer.
    Ich knallte mein Werkzeug zu Boden und wollte gerade auf sie losgehen, als ich Noah neben ihr entdeckte. Er hatte Clementines Mantel aufgehoben, aber jetzt stand er da wie festgefroren. Er musste den Blick bemerkt haben, mit dem sie mich bedacht hatte, denn jetzt lagen seine Augen auf ihr. Als er begriff, was sie da getan hatte, malte sich Abscheu in sein Gesicht. Er ließ ihren Mantel einfach fallen, drehte sich um und marschierte zurück zum Kleinbus.
     
    Auf der Rückfahrt zur Schule saß Clementine in der letzten Reihe, Noah direkt vor ihr. Wenn die Musik des Rektors mal leiser wurde, konnte ich sie streiten hören, aber ich verstand nicht, was sie sagten. Als wir uns durch die Straßen schlängelten, nahm ich auf einmal einen kalten Luftzugwahr, der sich mir schmal um die Knöchel wand und mich erst wieder losließ, als wir um eine Ecke bogen.
    »Hast du das gespürt?«, fragte ich Anya.
    »Was gespürt?« Sie sah von ihrem Buch auf.
    Ich reckte einen Finger, um sie zum Schweigen zu bringen, und schloss die Augen, um es wiederzufinden, doch da war nichts.
    »Schon gut.« Ich blickte aus dem Fenster, starrte den Passanten auf dem Gehweg ins Gesicht und hoffte, unter ihnen Dante zu entdecken.
    Als wir das St. Clément erreicht hatten, regnete es.

Weitere Kostenlose Bücher