Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
einer natürlichen Eleganz. Ihre hochhackigen Schuhe ließen ihre Beine noch länger wirken. »Freut mich sehr.«
Als wir ihr ins Esszimmer folgten, sagte sie über die Schulter: »Ich hoffe, du magst Fleisch.« Bevor ich antworten konnte, verbesserte sie sich. »Ach, natürlich tust du das. Du bist schließlich Wächter, nicht wahr?«
Der Tisch war bereits gedeckt. Noah zog einen Stuhl für mich heraus und drapierte mit einer nachlässigen Verbeugung die Serviette auf meinem Schoß. Ich musste lachen, als er sich neben mich setzte. Seine Eltern wechselten einen bedeutungsvollen Blick, während die Mutter die Servierplatte herumreichte. Eine beeindruckende Auswahl an Pasteten, Würsten und hauchdünnen Roastbeefscheiben war darauf angerichtet. Dann verschwand sie wieder in der Küche.
Auf einer Seite des Zimmers befand sich ein reich verzierter offener Kamin. Über dem Sims hingen zwei Schaufeln im Zwergenformat, beide auf Holztafeln montiert. Auf der einen stand
Noah
, auf der anderen
Katherine.
»Meine erste Schaufel«, erklärte Noah zu mir gelehnt. »Hab ich mit vier von meinen Eltern bekommen.«
»So bist du aufgewachsen?«, fragte ich. »Hast du immer gewusst, was du bist?«
»Jede Familie ist anders«, bemerkte sein Vater und füllte mir das Weinglas. »Wir sind hier sehr offen miteinander. Man ist eben, was man ist. Was bringt es, sich gegenseitig etwas vorzumachen?«
Ich sah zu, wie Noah ein Stückchen Pastete auf einem Baguette verstrich und abbiss. Er lachte über irgendetwas, das sein Vater gesagt hatte, und dann blickte er zu mir. Ich hatte den Witz nicht mitbekommen, lachte aber trotzdem. Das also wäre mein Leben, wenn meine Eltern nicht gestorben wären. Wenn ich mich in Noah verlieben könnte. Doch irgendetwas war hier faul. Warum war ich hier und nicht Clementine? War ich in Noahs Augen wirklich so besonders oder war er nur an dem Mädchen interessiert, für das er mich hielt?
Die Tür flog auf und Noahs Mutter kehrte zurück mit einer silbernen Platte und einem weiteren Gang. Noahs Vater legte ihr die Hand auf die Hüfte, als sie den Deckel lüpfte und Ofenkartoffeln mit Rosmarin und Thymian und dazu einen Lammbraten präsentierte. Das Lammgerippe stand aus der Mitte hoch, als wäre es ein modernes Kunstwerk. Diese Aromaflut hätte mich überwältigen sollen, aber ich roch rein gar nichts. Je länger ich auf das Essen starrte, desto wächserner und unechter sah es aus, als wäre zwischen mir und dem Rest der Welt ein Filter montiert.
»Also, Noah hat uns erzählt, dass du am St. Clément an erster Stelle gereiht bist?«, sagte seine Mutter und tat uns etwas auf. »Sehr eindrucksvoll.«
Noahs Vater gluckste und nahm sich seinen Wein. »Ja«, bestätigte er. »Und was für eine Art Wächter bist du?«
»Äh – das weiß ich nicht.«
»Ich nehme an, nach der Schule wirst du ans Wächterhochgericht wollen?«, fragte Noahs Mutter und legte die Beine übereinander.
Bevor ich antworten konnte, mischte sich Noah ein. »Sie kann machen, was immer sie möchte«, sagte er. »Sie ist in allem gut.«
Ich wurde rot. »Warum sollte sie dann nicht?«, fragte Noahs Vater. »In unserer Gesellschaft gibt es kein begehrenswerteres Amt.«
»Vielleicht will sie kein Hochrichter werden«, entgegnete Noah. »Vielleicht möchte sie was anderes machen.«
Ich versuchte, mich ebenfalls am Gespräch zu beteiligen, doch das Lachen seiner Mutter bremste mich aus. »Aber jeder will doch Hochrichter werden. Noah, wenn du dich nur ein bisschen anstrengst, könntest du eines Tages –«
»Darüber möchte ich jetzt nicht reden«, sagte er mit mühsam beherrschter Stimme.
»Noah hat mir erzählt, Sie sind beide an der Uni?«, wechselte ich das Thema.
Noahs Mutter lächelte. »
Oui.
Ich bin Romanistin und Luc ist einer der renommiertesten Historiker Kanadas.« Sie rieb ihrem Ehemann den Arm. »Gerade hat er mit der Recherche zu seinem neuen Buch begonnen. Diesmal etwas ganz anderes.«
Noah schaufelte sich einen riesigen Kartoffelberg auf den Teller. »Worum geht’s?«
Sein Vater lehnte sich im Stuhl zurück und schwenkte sein Glas. »Eine vergessene Naturwissenschaftlerin mit einem seltsamen Steckenpferd.«
Noahs Mutter lächelte ihn neckisch an, bevor sie in die Küche entschwand, um für Weinnachschub zu sorgen.
»Erzähl weiter«, bat Noah.
»Bon«
, sagte sein Vater und faltete die dicken Finger. »Ihr Name war Ophelia Cœur. Und sie war besessen vom Wasser.«
Ophelia Cœur. Der Name sagte mir
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