Dead Cat Bounce
sich. Es war eine seiner Motivationstechniken, eine Art Monolog, mit dem er sich anfeuerte.
Die Strecke bestand aus braunem Kies und Jonah trug Laufschuhe mit Spikes, um in der Anfangsphase einen Vorteil zu haben. Nach dem Rennen würden ihm die Füße wehtun, doch das würde er schon überleben. Die ersten drei Kilometer des Laufs gingen über flaches Gelände, doch dann kam ein kurzer, steiler Hügel. Seine Konkurrenten würden davon ausgehen, dass er langsamer wurde, nicht schneller. Als er den Hügel erreicht hatte, erhöhte er sein Tempo. Seine Pulsfrequenz stieg, die kühle Luft strich ihm über das Gesicht. Kaninchen hasteten in ihre Löcher, als er an ihnen vorbeilief, fest entschlossen, den anderen Läufern zu zeigen, dass er heute das Rennen gewinnen würde.
Sieben Kilometer später, als er noch knapp zwei Kilometer bis zum Ziel vor sich hatte, begann sein Körper, sich gegen die Anstrengung in der ersten Hälfte des Laufs zu wehren. Sein Atem kam stoßweise, Schmerz flutete seinen Körper. Er hatte ein hohes Tempo vorgegeben, mit dem er sich nach der Hälfte der Strecke vom Hauptfeld abgesetzt hatte, und war auch auf den nächsten Kilometern nicht langsamer geworden. Jetzt ging es darum, bis zum Ziel durchzuhalten.
Er lief gerade an Richmond Gate vorbei, als er die Stimme eines Mädchens hörte. »Lauf, Jonah! Lauf! Lauf!«, brüllte es. Als er kurz den Kopf wandte und in die Richtung sah, aus der die Stimme kam, sah er Creedence. Sie saß auf einem Fahrrad und fuhr neben der Strecke her.
Jonah konnte einfach nicht glauben, dass sie gekommen war. Jetzt, wo sie hier war und ihm zusah, kam Verlieren nicht mehr infrage. Er musste alles geben.
Noch achthundert Meter.
Jonah litt Höllenqualen. Das Gesicht schmerzverzerrt, den Kopf weit zurückgeworfen, rang er mit offenem Mund nach Sauerstoff, um seinen schnell ermüdenden Beinen neue Nahrung zu geben. Creedence, die neben ihm herfuhr, benutzte er als Schrittmacher. Sie stand auf den Pedalen und feuerte ihn an, den Schwerpunkt leicht hinter den Sattel verlagert, um das Gefälle des Abhangs auszugleichen, den es jetzt hinunterging. Doch es reichte nicht. Er wusste, dass die anderen Läufer ihn einholen würden.
Noch fünfhundertfünfzig Meter.
»Er kommt näher!«, rief Creedence.
Als Jonah einen Blick hinter sich warf, sah er einen großen, dunkelhaarigen Läufer, der sich schnell näherte. Der Abstand zwischen ihnen wurde immer kleiner. Zwanzig Meter, dann waren es fünfzehn.
»Lauf, Jonah! Lauf!«, schrie Creedence wieder.
Jonah spürte, wie seine Herzfrequenz über die üblichen 175 Schläge pro Minute stieg. Bis zum Ziel waren es zweihundert Meter und er lag nur noch fünf Meter vorn. Komm schon, Jonah!, feuerte er sich selbst an.
Fünfzig Meter vor ihm tauchte eine kleine Brücke auf, die an beiden Enden mit einer Absperrung versehen war, um Radfahrer zum Absteigen zu zwingen. Jonah wusste, dass dadurch auch die Läufer ausgebremst wurden, denn zwischen den beiden Hälften des versetzt angeordneten Hindernisses war lediglich so viel Platz, dass immer nur ein Läufer die Brücke betreten und verlassen konnte. Der, der als Erster die Brücke erreichte, würde mit ziemlicher Sicherheit den Sieg davontragen. Jonah musste vor allen anderen auf der Brücke sein.
Er sah, wie Creedence nach rechts abbog, um einen anderen Weg über den Wassergraben zu finden. Der andere Läufer, der sich direkt hinter ihm befand, brach zur Seite aus, überholte ihn und war jetzt wenige Zentimeter vor ihm. Jonah versuchte, schneller zu werden, doch er hatte keine Kraft mehr. Er würde es nicht schaffen.
Doch als er auf die erste Absperrung zulief, kam ihm plötzlich ein Gedanke. Es gab eine riskante Alternative. Eine Alternative für Überflieger. Aber er hatte keinen Spielraum für Fehler.
Der ältere Läufer war jetzt einen Meter vor ihm und wurde abrupt langsamer, während sein rechter Arm nach dem Geländer der Absperrung griff, damit er sich abstützen und um das Hindernis herumbewegen konnte.
Jonah machte genau das Gegenteil. Er bremste nicht ab. Er wurde nicht langsamer. Er rannte direkt auf die Absperrung zu, packte das Geländer und sprang unter Aufbietung seiner letzten Reserven darüber.
Und irgendwie funktionierte es. Er hatte die Absperrung hinter sich gebracht und lag wieder vorn. Die zweite Absperrung würde er als Erster passieren und ab dort war der Rest der Strecke mit Sicherheit zu schaffen. Die Zuschauer brüllten vor Begeisterung und plötzlich
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