Dead Cat Bounce
seinen Vater, als er auf das Motorrad kletterte. Mit quietschenden Reifen fuhren sie los, nach Osten in Richtung Tower Bridge, und rasten im Zickzack durch den Freitagabendverkehr, wobei sie auch zweimal den Bürgersteig benutzten, um schneller voranzukommen. Mit hoher Geschwindigkeit ging es an Canary Wharf vorbei, während sich Jonah an den Aktenkoffer und an seinen Vater klammerte und bei jeder Gelegenheit den Kopf reckte, um nachzusehen, ob sie verfolgt wurden. Sein Herz klopfte wild vor Angst und Aufregung. Als die Straße frei war, gab David Vollgas, sodass Jonah sich ducken musste. Vor den Parkplätzen des London City Airport wurden sie schließlich langsamer.
»Wo gehen wir hin?«, fragte Jonah, als sie abstiegen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie das Land so schnell verlassen würden. Er hatte sich ja nicht einmal von Creedence verabschiedet.
»Zuerst nach Amsterdam. Dort hole ich unsere neuen Pässe.« Jonah musste verwirrt ausgesehen haben, denn sein Vater fügte noch eine Erklärung hinzu. »Auf meinen Geschäftsreisen nach Russland habe ich ein paar interessante Leute kennengelernt. Einige von ihnen haben Verbindungen zur Unterwelt. Von einem dieser Leute habe ich einen Gefallen eingefordert. Die neuen Pässe warten in Amsterdam auf uns. Und da der Auftrag zu kurzfristig war, blieb keine Zeit mehr, die Pässe nach London zu bringen.«
»Oh!«, meinte Jonah. »Ich hatte nicht daran gedacht, dass es solche Pässe sind. Falsche, meine ich«, flüsterte er. Dann steckte er sich sein Hemd in die Hose, das während der Fahrt herausgerutscht war. »Und wie lange bleiben wir in Amsterdam?«
David drückte Jonah einen kleinen Rucksack in die Hand, den er aus einer der Packtaschen des Motorrads geholt hatte. Dabei fiel Jonah auf, dass er eine alte Uhr mit einem orangefarbenen Armband trug, die eigentlich Jonah gehörte. Er musste sie mitgenommen haben, als er im Haus gewesen war, um ein paar Sachen für sie zu holen. »Nicht lange«, erwiderte David, der schon dabei war, auf das Terminal zuzugehen. Er bedeutete Jonah, ihm zu folgen. »Von Amsterdam aus geht es in Richtung Afrika. Wir müssen in Bewegung bleiben. Vergiss nicht, dass wir es mit Killern zu tun haben.«
Jonah fiel auf, dass der Blick seines Vaters nach Anzeichen dafür suchte, dass sie verfolgt wurden. Er tat das Gleiche und wurde erst wieder ruhiger, als sie im Flugzeug saßen und auf dem Weg nach Amsterdam waren.
33
Nach der Besprechung mit Pistol war der Baron schwer genervt, was aber auch keine Überraschung war. Der Mann hatte endlos über irgendwelche neuen, demnächst in Kraft tretenden Richtlinien für Börsengeschäfte gesprochen, während der Baron unruhig auf seinem Stuhl herumgerutscht war, weil er wissen wollte, was der Junge gerade machte.
Als er in den Handelssaal kam, stellte er fest, dass der Bunker leer war. Auch Jonahs Aktenkoffer war weg. Er griff zum Telefon. Der Anruf wurde direkt auf Jonahs Mailbox geschaltet. Inzwischen war es schon so spät, dass er es nicht mehr pünktlich zum Essen mit Scrotycz schaffen würde. Um den Jungen würde er sich später kümmern.
Der Baron legte den Laptop in seinen Aktenkoffer und klappte ihn zu. Als er auf die Tür zuging, zog er noch einmal sein Handy aus der Tasche. »Amelia, ich bin’s«, sagte er, nachdem sie sich gemeldet hatte.
»Oh, hallo, Schätzchen«, säuselte Amelia. »Du bist doch gerade auf dem Weg zu diesem netten Russen, nicht wahr? Ihr werdet viel Spaß haben! Männergeschichten, Wodka und Mädchen.«
»Ich würde mir viel lieber eine Distel in den Hintern stecken«, erwiderte der Baron. »Hör zu. Du musst dieses Mädchen finden, diese Clearwater.«
Amelia wurde ernst. »Gibt es ein Problem?«
»Ich habe iPod gesagt, dass er in der Bank bleiben soll, aber er ist weg. Und sein Handy ist ausgeschaltet. Das dürfte nicht sein. Er weiß, dass er rund um die Uhr erreichbar sein muss. Ich gehe davon aus, dass er einfach nur verknallt ist, aber ich will sicher sein.«
»Bleib dran. Ich rufe sie unter ihrer Festnetznummer an. Sie hat seit Mittwoch frei, damit sie sich um den Jungen kümmern kann, um es mal so zu sagen.« Amelia legte den Anruf in die Warteschleife, doch obwohl an ihrem Ende der Leitung Stille herrschte, hielt der Baron im Gehen sein Handy ans Ohr gepresst, bis sie sich wieder meldete. »Unter der Nummer antwortet niemand«, sagte Amelia. Es klang eher wie eine Erklärung als eine Entschuldigung. »Überlass das mir. Ich werde sie schon
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