Dead - Ein Alex-Cross-Roman
beherrschte und wahrscheinlich auch schon im Schlaf gemacht hatte. Zumindest würde die eine oder andere Einzelheit aus meiner Rede im Internet auftauchen und womöglich irgendjemanden erreichen, der irgendetwas über den Killer wusste.
»Es handelt sich um einen Mann an der Schwelle zum Psychopathen mit einem tief sitzenden Bedürfnis nach überlebensgroßer Anerkennung«, teilte ich dem voll besetzten Saal mit.
»Dieses Bedürfnis stellt alles andere in seiner Welt in den Schatten, und zwar in einem absolut extremen, soziopathischen Ausmaß. Wenn er am Morgen aufsteht - falls er überhaupt schläft -, dann hat er keine andere Wahl, als sich das nächste Publikum zu suchen und seinen nächsten Mord zu planen und auszuführen. Gut möglich, dass dieses Ritual sich immer weiter steigert.«
Ich beugte mich hinter meinem Rednerpult nach vorne und
blickte in so viele Gesichter wie möglich. Es war unglaublich, wie gebannt und andächtig sie mir zuhörten.
»Was dieser Wahnsinnige jedoch bis jetzt noch nicht erkannt hat - was er sich meiner Meinung nach selbst einfach nicht eingestehen kann -, das ist, dass er niemals das bekommen wird, wonach er eigentlich sucht. Und das bricht ihm eines Tages das Genick. Wenn wir ihn nicht zur Strecke bringen, dann erledigt er das selbst. Er steuert auf die Selbstzerstörung zu, auf seine eigene, selbst eingefädelte Gefangennahme, ohne das Geringste dagegen tun zu können.«
Alles, was ich sagte, war im Grunde genommen richtig, nur ein bisschen verdreht. Falls der Killer sich im Publikum befinden sollte, dann wollte ich, dass er sich so unwohl wie irgend möglich fühlte. Um ehrlich zu sein, ich wollte ihn zum Schwitzen bringen wie ein Schwein über dem Feuer.
Ich entdeckte ein paar Gestalten in der Menge, die eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit mit der bisher bekannten Beschreibung von DCPK aufwiesen: groß, kräftig, männlich. Aber bis jetzt hatte mir niemand einen Grund geliefert, um loszuschlagen oder Bree und Sampson ein Zeichen zu geben. Ich befürchtete, dass unser schöner, kleiner Plan als Fehlschlag endete, auch wenn das keine allzu große Überraschung war. Gerade hatte ich meinen Vortrag beendet, und bisher hatte noch niemand versucht, mir mein Publikum streitig zu machen und mich bei dieser »Killer-Konferenz« zu übertrumpfen.
Beobachtest du mich, du Drecksack?
Wahrscheinlich nicht.
Dazu bist du zu schlau, stimmt’s? Du bist ja so viel schlauer als wir.
66
Nach dem Vortrag, ein paar schnellen Fragen und Antworten sowie einem unerwartet freundlichen Applaus wurde ich von Wally Walewski an einen wackeligen, kleinen Tisch im Foyer gesetzt. Abgehakt .
Wer wollte, konnte hier ein paar Worte mit mir wechseln, ein Buch signieren lassen, solche Dinge eben. Während der ersten zwanzig Minuten schüttelte ich Hände, tauschte Höflichkeiten aus und signierte alles, angefangen bei Büchern bis hin zur Handfläche einer Frau. Fast alle waren sehr nett zu mir. Und höflich. Kein Serienkiller in Sicht, soweit ich das beurteilen konnte.
Nur eine Bitte schlug ich aus: auf einem T-Shirt zu unterschreiben, das auf der Vorderseite mit DCPK und auf der Rückseite mit Schönes Leben noch, ihr Arschgeigen beschriftet war.
»Na, wie läuft’s denn so?«, ließ sich endlich eine Stimme in meinem Ohrstöpsel vernehmen.
Ich blickte die Schlange entlang, wo Bree sich unter Dutzende von geduldig wartenden und plaudernden Fans gemischt hatte. »Ruhig, bis jetzt«, erwiderte ich. »Merkwürdige Leute, aber ganz nett. Leider.«
Bree wandte der Schlange den Rücken zu und sagte leise: »So ein Mist. Also gut, dann... Sampson, ich mache noch mal einen kurzen Rundgang durch den Saal. Wir treffen uns beim Ausgang wieder. Ich hoffe ja, dass hier irgendjemand rumschleicht, der nicht ganz so nett ist.«
Ich hörte auch Johns Antwort. »Hört sich gut an. Alex, fährst du eigentlich mit uns nach Hause? Oder willst du vielleicht
bei einem deiner weiblichen Fans dein Glück versuchen?« Ich lächelte den nächsten Menschen in der Schlange an.
»Bin gleich wieder da«, sagte Bree und verschwand in der Menge. »Und du bleibst schön artig.«
»Ich werd’s versuchen.«
Ein paar Minuten später - ich signierte gerade ein Buch - spürte ich etwas hinter mir.
Als ich den Kopf hob, war niemand zu sehen. Aber ich war mir sicher, dass da eben noch jemand war.
»Sie hat Ihnen einen Zettel dagelassen.«
Die Frau vor meinem Tischchen deutete auf einen Zettel an meinem Ellbogen. Ich faltete ihn
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