Dead End: Thriller (German Edition)
Melken raus?«
»Nein, ich bin die Einzige«, sagte sie. »Ich bleibe eigentlich abends nie lange auf.«
Evis Wagen stand neben meinem. Ich hielt ihr die Tür auf, und sie schaute sich um, als wolle sie sichergehen, dass wir allein waren. »Alles okay?«, erkundigte ich mich.
Einen Moment lang antwortete sie nicht, blickte kurz auf das Lenkrad hinunter und sah dann wieder zu mir auf. In dem dürftigen Licht wirkten ihre Augen schwarz. Dann fragte sie: »Verstehen Sie etwas von Computern, Laura? Aus kriminaltechnischer Sicht?«
»Ein bisschen«, antwortete ich. »Was ist denn passiert?«
Andere Leute machten sich ebenfalls auf den Heimweg und kamen näher. Ich ging um den Wagen herum und setzte mich neben Evi auf den Beifahrersitz.
»Zwanzig Meter weiter unten gibt es noch einen Weg«, sagte ich, als sie mich überrascht ansah. »Da können Sie mich absetzen.«
Wir fuhren ein kurzes Stück, dann hielt sie am äußersten Wegrand. Der Wagen hinter uns fuhr vorbei.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie Nick kennen«, bemerkte Evi.
»Ich bin ihm vor ein paar Tagen im Krankenhaus begegnet«, erwiderte ich. »Kennen Sie ihn gut?«
»Wir haben beide hier studiert«, sagte sie. »Nick war ein paar Semester über mir.« Ihr Gesicht entspannte sich zu einem Lächeln. »Gestern ist er vorbeigekommen. Er macht sich auch Sorgen wegen der Selbstmorde. Er war ziemlich erleichtert, als ich ihm gesagt habe, dass deswegen etwas unternommen wird.«
Sorgen wegen der Selbstmorde? Oder Sorgen, dass Evi ihm vielleicht auf die Schliche gekommen war?
»Sie haben ihm doch nichts von mir erzählt?«, fragte ich.
Ihre Augen wurden größer. »Nein, natürlich nicht«, beteuerte sie. »Ich dachte bloß, Sie hätten das vielleicht getan.«
Entschieden schüttelte ich den Kopf. »Nein, hab ich nicht. Er darf es nicht wissen.« Wenn es eins gab, das Joesbury und die anderen mir eingehämmert hatten, dann dass niemand wissen durfte, wer ich war. Vertrauen Sie niemandem.
»Also, Ihr IT -Problem«, hakte ich nach. »Worum geht’s da?«
Sie wandte sich wieder ab und trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad, schaute in den Rückspiegel. Hinter uns war nichts, nur dunkle Schemen überall. »Ich habe vielleicht einen Stalker an den Hacken«, sagte sie schließlich. »Aber die Polizei nimmt mich nicht gerade fürchterlich ernst. Die denken, ich bin ein bisschen … hysterisch.«
Hysterisch war kein Wort, mit dem ich Evi Oliver beschreiben würde. Ängstlich vielleicht, und ganz bestimmt litt sie unter gesundheitlichen Problemen, ansonsten jedoch war sie sehr überlegt in allem, was sie sagte oder tat.
»Was für einen Stalker?«, erkundigte ich mich.
»Gestern Abend habe ich ein paar bedrohliche Mails bekommen«, erzählte sie. »Aber als ich versucht habe, sie an den Polizisten weiterzuleiten, mit dem ich gesprochen habe, sind sie komplett von meinem Computer verschwunden. Jetzt zweifelt er daran, dass sie jemals existiert haben, und ich denke allmählich schon dasselbe.«
»Sie sind verschwunden, als Sie sie weitergeleitet haben?«
»Ja. Ist so was möglich?«
»Auf jeden Fall«, versicherte ich. »Bestimmt ist da eine Schadsoftware eingebaut, die aktiviert worden ist, als Sie versucht haben, die Mails weiterzuleiten, zu speichern oder auszudrucken. Die sind sicher noch irgendwo auf Ihrem Computer. Bei der Londoner Polizei haben wir forensische Informatiker. Die finden die Dinger in null Komma nichts.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob das den Einsatz der Londoner Polizei rechtfertigt«, erwiderte Evi. »Aber es ist gut zu wissen, dass ich nicht langsam komplett durchdrehe.«
»Wir sollten uns wahrscheinlich keine E-Mails mehr schicken, bis wir genau wissen, dass Ihr System sicher ist«, meinte ich.
Sie seufzte und machte ein beklommenes Gesicht.
»Ist das alles?«, fragte ich und war mir ziemlich sicher, dass es nicht alles war.
Sie schüttelte den Kopf. »Anrufe habe ich auch gekriegt«, sagte sie. »Jede Menge. Sowohl auf dem Festnetz als auch auf meinem Handy. Niemand dran. Nummer unterdrückt.«
»Wann?«, fragte ich.
»Vorgestern Abend«, antwortete sie. »Mittwoch ging das los, und gestern Abend wieder, und heute auch, bevor ich losgefahren bin. Schließlich habe ich beide Telefone ausgemacht. Was nicht wirklich die Lösung ist, ich habe nächste Woche Rufbereitschaft.«
»So was nervt wirklich«, meinte ich. »Aber leider kommt das vor. Vielleicht müssen Sie sich neue Nummern geben lassen und hoffen, dass der Typ aufgibt.
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