Dead Eyes - Der Fluch der Maske (German Edition)
sehe einen anderen Dirk. Manchmal kann er echt süß sein.«
Alex nickte, ohne wirklich überzeugt zu sein.
»Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?«, fragte er.
»Im Pfannkuchenhaus«, sagte sie. »Wir haben da zusammen gearbeitet.«
Als sie wieder durch die Gasse gingen, versuchte Alex, nicht in die Schaufenster zu sehen, stattdessen sah er stur geradeaus. Dennoch war er sich der verschwommenen Formen in seinen Augenwinkeln nur allzu bewusst und konzentrierte sich auf Angeliens Hinterkopf.
Am Ende der Gasse gingen sie über eine kleine Brücke auf die andere Kanalseite und standen vor den hohen Mauern einer Kirche mit spitzen Giebeln und einem Bleidach – es war die Oude Kerk.
Ein unangenehmer Geruch wehte Alex in die Nase. Als er sich umdrehte, sah er eine Art Freiluftpissoir: ein halbrunder Sichtschutz aus Metall, der den Benutzer lediglich knieaufwärts bis zu den Schultern bedeckte.
»Das ist ja widerlich.« Alex verzog das Gesicht.
Angelien lachte.
»Besser, als auf die Straße zu pinkeln«, sagte sie.
»Das
ist
auf die Straße pinkeln«, sagte Alex. »Nur eben hinter ein bisschen Metall.«
Sie kamen auf einen kleinen Platz, und Alex machte ein paar Fotos von den spitzen Giebeldächern, dann gingen sie weiter durch eine schmale Gasse. Alex konzentrierte sich wieder auf ein Foto, als er hinter sich ein lautes Klopfen hörte. In einem der Schaufenster stand eine Frau und grinste ihn auffordernd an.
Angelien trat vor und schlug mit der flachen Hand gegen die Scheibe. Dann zog sie Alex mit sich weg und rief der Frau wütend etwas zu. Als sie sich entfernten, stand eine Gruppe Frauen in der Tür und rief ihnen hinterher. Angelien blieb stehen, drehte sich um und brüllte etwas zurück. Alex mochte vielleicht kein Holländisch verstehen, aber dass der Austauschziemlich unflätig war, so viel verstand auch er. Als sie den Kanal erreichten, war Angelien ganz rot im Gesicht. Es war aber nicht, weil ihr das Ganze peinlich war, sie war einfach nur wütend.
»Alle denken, wir finden das ganz in Ordnung«, sagte Angelien. »Aber die Sache stinkt doch. Es ist alles so … «
Sie fuchtelte mit den Händen in der Luft herum und versuchte, die richtigen Worte zu finden, dann ließ sie wieder eine Salve holländischer Flüche los. Ein Mann auf einer Barkasse in der Nähe lächelte und klatschte in die Hände.
»Ich weiß, alle Hafenstädte sind ein wenig verrucht«, sagte sie und drehte sich zu Alex. »Aber das hier ist einfach zu viel – und es lockt all diese Idioten an.«
Sie nickte in Richtung einer Gruppe Männer, die von der anderen Seite des Kanals laut grölend auf eine der Frauen im Fenster zeigten. Alex erkannte an ihren Stimmen, dass sie Iren waren.
»Amsterdam ist eine so schöne Stadt«, sagte Angelien. »Und ich bin hier zu Hause. Ich liebe die Stadt. Egal was. Aber manchmal macht mich das Ganze einfach wütend, verstehst du?«
»Ja«, sagte Alex.
Angelien legte den Arm um seine Schulter und drückte ihn an sich.
»Du bist ein netter Junge, Alex«, sagte sie. Ihre Lippen waren so dicht an seinem Ohr, dass er ihren Atem spüren konnte. »Komm – lass uns reingehen.«
Sie gingen auf den Eingang zu. Der Himmel über ihnen glich einem großen Feld aus Schaumkronen, Wolken wie graue Wollknäuel, die sich alle im Ton voneinander unterschieden. Donner grollte in der Ferne.
Die Oude Kerk zu betreten war beeindruckend. Von außen sah das Gebäude unglaublich düster aus; innen schwebte das Deckengewölbe auf turmhohen Säulen über ihnen in der Luft, und riesige Fenster ließen den Raum fast noch heller als draußen erscheinen. Auch war es sehr still. Der Gegensatz zu den umliegenden Straßen hätte nicht größer sein können. Es herrschte eine Stille, als wäre sie einer anderen Zeit entlehnt.
Der Boden war mit unebenen, teilweise gebrochenen Steinplatten gefliest, die Alex bald als Grabsteine erkannte. Sie waren einzeln nummeriert, viele mit kryptischen Zeichen darauf.
In der Mitte der Kirche gab es einen Bereich mit Bänken und privaten Kirchenstühlen mit in Gold geschriebenen Namen auf den Türen. Manche dieser verschlossenen Kirchenbänke standen am Fuß von Säulen. An einer Säule war eine Kanzel angebracht, sie hatte ein Dach und eine Treppe mit einem geschwungenenMessinggeländer. Messingkandelaber hingen an langen Ketten von der hohen Holzdecke.
Alex folgte Angelien durch die kunstvoll geschnitzte Chorschranke ins Chorgestühl. Am Ende befand sich eine Reihe von
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