Dead Eyes - Der Fluch der Maske (German Edition)
einem Mal bewusst, dass unter ihnenlauter Tote lagen, die nebeneinander zugedeckt unter den kalten Steindecken schliefen.
»Und das hier«, sagte Angelien, »ist das von Hanna.«
Alex erschrak bei ihrem Namen, als würde er am Rand ihres frisch ausgehobenen Grabes stehen und wäre kurz davor hineinzufallen.
Der Grabstein war wie der ihres Vaters ohne jeden Schmuck, nur eine Art Monogramm war darauf zu sehen, die Anfangsbuchstaben ihres Namens, wie er erkannte. Das einzige andere Detail war eine klar gemeißelte fünfundvierzig am oberen Rand. Alex versuchte sich zu erinnern, warum die Zahl eine Bedeutung hatte, bis ihm klar wurde, dass es die Nummer von seinem Hotelzimmer war.
Und im gleichen Moment kehrte der Schwindel zurück, genau wie im Museum, als er vor dem Gemälde stand. Er starrte auf den Grabstein und fühlte nur noch Dunkelheit, die ihn mit einem Mal von allen Seiten bedrängte. Als Angelien ihn ansprach, schien ihre Stimme meilenweit entfernt.
»Alex?«, sagte sie. »Alex?«
»Wie?«
Sie lachte.
»Ich hab gefragt, ob wir ein paar Postkarten kaufen wollen.«
»Ach so. Ja. Vielleicht.«
»Ich schau mal, was sie haben«, sagte sie und entfernte sich.
Sobald Angelien gegangen war, stolperte Alex nach draußen, um frische Luft zu schnappen. Ein paar Touristen auf einer Führung sahen ihm hinterher, als er sich zum Kanalufer schleppte und einige tiefe Atemzüge tat. Der Himmel über der Kirche hatte sich verdunkelt, und das Gebäude sah schwarz und bedrohlich aus.
Alex versuchte sich zu fassen. Er hatte das Gefühl, als würde die Dunkelheit des Grabes noch immer an ihm hängen. Er konnte sich seine Gefühle nicht erklären, er wusste nicht einmal, ob er überhaupt davon erzählen sollte.
Angelien kam aus der Kirche und sah sich nach ihm um, während er mit zittrigen Händen versuchte ein Foto zu machen.
»Alex?«, fragte sie. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Was?«, sagte er. »Ja, klar. Ich wollte nur ein paar Fotos von außen machen.«
Alex machte noch ein Foto vom Dach vor dem Himmel mit schiefergrauen Wolken. Er fühlte sich schon besser.
Angelien hakte sich bei ihm ein, und gemeinsam gingen sie wieder los, vorbei an den spitzen Türmen von De Waag und hinunter zum Singelkanal. Sie kamen an der Universität vorbei und der Masse vonFahrrädern daneben. Grüppchen von Studenten saßen am Kanal, unterhielten sich lachend und aßen Sandwichs.
Schließlich überquerten sie eine Brücke und kamen zum
Bloemenmarkt
, einer Art schwimmendem Blumenmarkt auf dem Singelkanal.
Die Sonne brach kurz zwischen den Wolken hindurch und brachte die Farben der Blumen zum Leuchten, und auch Angeliens Laune schien sich aufzuhellen.
»Tut mir leid, dass ich vorhin so sauer geworden bin«, sagte Angelien. »Ich fahr manchmal einfach zu schnell aus der Haut. Vorgewarnt hab ich dich.«
»Nein, nein«, sagte Alex. »Das war meine Schuld.«
Aber das war im Grunde nicht mehr wichtig. Ihm war, als läge es bereits Tage zurück. Jetzt war er nur froh, an der Sonne zu sein und nicht zu viel darüber nachzudenken, was in der Oude Kerk mit ihm geschehen war. Und doch wusste er, wo er in der Stadt auch hinging, etwas würde ihn immer zurück zu Hanna und der Maske ziehen, und dem dunklen Geheimnis, das sich dahinter verbarg.
»Früher«, sagte Angelien, »sind die Pflanzer noch selbst hier heraufgesegelt, haben mit ihren Booten angelegt und ihre Blumen verkauft. Ich meine, es sind schon noch schwimmende Kähne, aber eben fest angelegt. Irgendwie traurig. Wenn ich mir die ganzenBoote voller Blumen vorstelle, die den Kanal heraufkommen und dann wieder verschwinden. Ist viel romantischer, findest du nicht?«
Alex nickte.
Die Stände waren voll mit allen möglichen Blumen, die nebeneinander in Plastikkübeln standen. Alex kannte kaum eine Sorte, außer den Sonnenblumen und Tulpen – und davon gab es unendlich viele.
»Die sind schön«, sagte Angelien und beugte sich vor, um sich ein paar zarte rotgelbe anzusehen, deren Blütenblätter sich zu krausen Enden zwirbelten, fast ein wenig wie Flammen.
Ohne groß nachzudenken, griff Alex nach einem Strauß und gab ihn Angelien.
»Als Entschuldigung, dass ich dir so viel Ärger mache«, sagte er. »Und um danke zu sagen.«
»Du hast dich doch schon entschuldigt«, antwortete Angelien mit einem Lächeln.
Alex zuckte wieder mit den Achseln.
»Das hier ist aber hübscher«, sagte er. »Wie viel kosten die?«
»Jetzt siehst du richtig besorgt aus«, sagte Angelien und
Weitere Kostenlose Bücher