Dead Eyes - Der Fluch der Maske (German Edition)
dass jemand wie Angelien an einem Jungen wie ihm interessiert war? Was für ein Witz. Was für ein Riesenwitz.
Am Flughafen kauften sie ein paar Sandwiches und setzten sich mit Blick auf die Abflugtafel auf die montierten Stühle. Ihr Flug hatte noch kein Gate zugewiesen bekommen, und die Anzeige hieß sie zu warten. Alex holte sein Handy heraus. Er hatte eine Nachricht von seiner Mutter.
Alles in Ordnung, Alex. Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst.
»Komm«, sagte sein Vater und nahm seine Tasche. »Da ist unser Gate.«
Alex folgte ihm, sie gingen denselben Weg wie zu Anfang ihrer Reise, nur gingen sie diesmal eben an Bord.
Alex verstaute seine Tasche und setzte sich ans Fenster, er steckte sein Buch in die Netzablage der Rückenlehne vor sich. Er glaubte nicht, dass er sich darauf konzentrieren können würde. Sein Vater las bereits ein Buch und achtete nicht weiter auf ihn oder auf die Kabinenbesatzung, die jetzt mit den Sicherheitshinweisen begann.
Minuten später stiegen sie in die Luft und hoben über das Meer. Der Tag war wieder trübe und dunkel,und das Meer unter ihnen wirkte fast schwarz. Innerhalb von Sekunden waren sie von grauen Wolken umgeben.
Alex drehte sich zu seinem Vater, der schon ganz in sein Buch vertieft schien. Er hatte Angeliens Brief zusammengefaltet in die Jackentasche gesteckt. Er hatte auf einen ungestörten Moment gewartet, aber jetzt musste er ihn lesen.
Lieber Alex,
es tut mir leid, wie alles zum Schluss gekommen ist. Ich wollte eigentlich noch ins Hotel und mich von dir verabschieden, aber ich habe meiner Mutter versprochen, nicht hinzugehen. Wahrscheinlich hättest du mich sowieso nicht sehen wollen, denk ich.
Ich wollte aber gerne schreiben und dir von dem letzten Puzzlestück in Hannas Geschichte erzählen. Ich weiß, du würdest es wissen wollen – egal, wie sauer du auf mich bist.
Ich habe den letzten Teil von Graafs Tagebuch gelesen, und wir haben uns die ganze Zeit geirrt. Hanna wurde nicht verrückt, weil sie die Maske trug – auch wenn ihr das sicher nicht gut bekommen ist.
Graaf musste immerzu über Hanna und ihr Schicksal nachdenken. Selbst nachdem sie gestorben war, ließ es ihn nicht in Ruhe. Er nahm die Maske mit nach Hause und hängte sie in sein Atelier, während er das Bild malte,
das wir im Rijksmuseum gesehen haben. Er fuhr zu Van Kampens Haus in Utrecht und redete mit den Leuten dort, die ihn von früher kannten – den Bediensteten, die in Van Kampens Haus gearbeitet hatten, bevor seine Frau davonlief.
Zuerst erfuhr er nicht wirklich etwas Neues, aber dann traf er einen Mann, der für Van Kampen gearbeitet hatte, und hörte von ihm Unglaubliches. Der Mann war sich sicher, dass Hanna damals das Feuer im Haus gelegt hatte, als sie noch ein kleines Mädchen war.
Er sagte, Hanna wäre schon immer ein merkwürdiges Kind gewesen, dass es aber noch schlimmer wurde, als ihr Vater eines Tages mit einer Maske aus Japan zurückkehrte.
Van Kampen hätte gelacht, als sie die Maske das erste Mal aufsetzte. Aber irgendwann bestand sie darauf, die Maske immer zu tragen. Ihre Mutter erwartete damals ihr zweites Kind, und Hanna drehte vollkommen durch, als sie davon erfuhr. Sie folgte ihrer Mutter überall hin, beobachtete sie bei allem, was sie tat, und starrte sie immerzu durch die Maske an. Die Mutter bekam Angst vor dem Mädchen, wirkliche Angst – vor ihrer eigenen Tochter.
Und scheinbar mit Recht. Denn eines Abends, sie hatte sich kurz zuvor hingelegt, brach in ihrem Zimmer ein Feuer aus. Hanna war die einzige Person, die neben ihr im Haus war, und zog sich auch Brandwunden zu. Zuerst nahm man an, sie hätte versucht, ihrer Mutter zu helfen, aber ihre Mutter sagte, sie wäre aufgewacht und hätte gesehen, wie
das Mädchen langsam durchs Zimmer ging und selber das Feuer legte.
Hannas Vater wollte nichts davon wissen. In seinen Augen konnte sie nichts Böses tun, und er schien überzeugt, dass sich die Mutter irren musste. Die Mutter erlitt eine Fehlgeburt, und als sie sich erholt hatte, rannte sie davon und wurde nie wieder gesehen.
Wir haben die ganze Zeit gedacht, ihr Vater wäre ein böser Mann, aber vielleicht war er nur fehlgeleitet. Vielleicht dachte er, er könnte seine Tochter retten, indem er sie im Haus einsperrte. Oder sie daran hindern, noch Schlimmeres zu tun. Er muss im Innern gewusst haben, wie aufgewühlt sie in Wirklichkeit war.
Scheinbar war Hanna doch nicht das arme, eingesperrte Mädchen, wie wir geglaubt haben. Auch wenn Hanna sich
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