DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
war oder besser vergraben sein sollte. Ein Gestank wie auf dem Rest des Schiffs, nur hatte jemand hier unten den Regler bis zum Anschlag aufgedreht. Warme und hefeartige Ausdünstungen, eigentümlich lebendig, mit der süßsauren Note organischer Überfülle wie in einem Treibhaus voller Orchideen.
Überhaupt kein guter Geruch.
Cook hatte so etwas schon einmal gerochen. Als kleiner Junge unter dem Wohnwagen von Onkel Bobby. Bobbys alter Hund Bobo war im Herbst verschwunden, und als es Juni und das Wetter warm wurde, folgten sie dem Gestank und entdeckten ihn unter dem Wohnwagen. Da unten zwischen Spinnweben und Spinnen, zwischen Mäusekot und verrotteten Pappkartons lag der alte Bobo. Er war krank gewesen und hatte sich dort zum Sterben verkrochen. Cook sah den bis zur Unkenntlichkeit verwesten Kadaver als Erster. Schwarzer Schimmel wuchs in den Augenhöhlen und auf den Hinterläufen, eine schleimige Kollektion von Pilzen spross aus seinem Bauch. Dieser Geruch im Kielraum erinnerte Cook daran – an heißen, feuchten Pilzwuchs.
Das Deck unten war bis auf Kniehöhe mit Wasser geflutet. Der Rumpf wies ein halbes Dutzend Löcher auf. Algen waren durch die Lecks eingedrungen und hatten sich über die Schotten ausgebreitet. Die Bilge selbst war voll mit Tang und schwarzem, öligem Wasser.
Kein schöner Anblick.
»Jesus, seht euch diese Löcher an«, rief Menhaus. »Dieser verdammte Kahn kann jeden Moment untergehen!«
Aber Cook beruhigte ihn; das Schiff wurde komplett vom Seetang eingeschlossen, und ein unvorstellbar dicker Teppich von dem Zeug musste sich unter dem Rumpf befinden.
»Passt auf, wo ihr hintretet«, warnte Saks und ging voran.
»Was erwartest du hier unten zu finden?«, fragte Cook ihn.
Aber Saks antwortete nicht. Leichtfüßig kletterte er über die dicken grünen Knäuel und Büschel aus wucherndem Seetang. Cook hätte lieber umgedreht. Was sie hier rochen, war mehr als nur der Gestank des Tangs. Da schwang noch etwas anderes mit. Ein immer stärker werdender übler Geruch, der ihm gar nicht gefiel. Von Zeit zu Zeit glaubte er, eine Art verstohlenes Rascheln von oben zu hören.
Sie gingen um einen Bogen aus genietetem Stahl herum, und Saks blieb stehen.
Er hielt seine Lampe hoch, damit sie es alle sehen konnten – diesen Wald aus weißen pulsierenden Gewächsen, die durch einen gewaltigen Riss im Schiffsrumpf eindrangen. Erst kamen sie ihnen wie die Stängel einer seltsamen Pflanze vor, doch als Saks die Lampe höher hielt, konnten sie erkennen, dass sie eher wurmartig wirkten, so dick wie Zaunpfosten und hohl. Hunderte davon mit schwarzen Mäulern an den Enden.
»Was zur Hölle ...?«, keuchte Menhaus.
»Würmer«, sagte Cook. Seine Haut kribbelte bei ihrem Anblick. »Ich glaube, es sind Röhrenwürmer, wie man sie an hydrothermalen Schloten auf dem Meeresboden findet.«
Schwer zu sagen, ob von ihnen eine Gefahr ausging. Keiner von ihnen wagte sich nahe genug heran, um es herauszufinden, aber hässlich waren sie auf jeden Fall. Diese wimmelnden und ekelhaft lebendigen Organismen standen aufrecht wie Setzlinge und öffneten und schlossen ihre Mäuler wie Fische.
Cook hätte bei dem Anblick am liebsten geschrien.
In seiner Fantasie sah er sich verirrt und ohne Licht hier unten umherstolpern, in die Bilge stürzen und sich wieder aufrappeln, über und über bedeckt mit Seetang und dann ... dann in diese kriechende Masse aus Röhrenwürmern fallen. Und er fühlte, wie sie sich um ihn wanden und seine Arme und sein Gesicht mit ihrer heißen, gummiartigen Leichenhaut berührten.
Doch es war nur seine Einbildung, die ihm hier etwas anhaben konnte. Die Würmer schienen ortsgebunden zu sein und konnten ihn nicht erreichen. Aber solche Gedanken, einmal geboren, ließen sich nicht mehr so leicht abschütteln. Sie lebten weiter in den dunklen Spalten zwischen den rationalen Gedanken, in den Schatten der Logik.
»Wir sollten lieber verschwinden«, sagte Saks.
Eilig machten sie sich auf den Rückweg und passten auf, nicht übereinander zu stolpern oder in die Bilge zu fallen. Hinter ihnen hörten sie, wie die Würmer sich räkelten und aneinander rieben. Als sie die Treppe zum Maschinenraum hinaufgingen, mussten sie sich zusammenreißen, um nicht in wilder Panik nach oben zu rennen.
Sie verloren kein weiteres Wort darüber.
Als sie den Maschinenraum verließen, hörten sie ein Geräusch.
Schritte.
Sie hörten Schritte.
Jemand kam den Niedergang herunter.
13
Sie erstarrten.
Keiner rührte
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