DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
gleich, um ihre Taschenlampen zu schonen. Marx und Gosling suchten alles ab.
»Ich seh hier keine Rettungsflöße, Erster«, sagte Marx. »Wahrscheinlich sind die Jungs hier gewassert und dann mit den Flößen über den Seetang abgehauen.«
Sie gingen nach vorne ins Cockpit, das sie leer vorfanden, mit Ausnahme von Unmengen an Bordelektronik und Navigationssystemen, mit denen sie nichts anfangen konnten. Viele Monitore waren noch immer beleuchtet, woraus sie schlossen, dass die Batterien noch Saft hatten. Marx schaltete den Funk ein und suchte die Kanäle ab, empfing aber nichts bis auf dieses atmende, lauernde Rauschen. Er schaltete schnell ab, bevor sie Schlimmeres zu hören bekamen.
George und Cushing gingen hinunter zur Passagiertür, die direkt hinter dem Cockpit nach draußen führte. Auch sie stand offen, und dort hatten sich Algen und Wasser bereits dicht herangeschlichen. Draußen auf dem Algenmeer wurde es dunkler, der Nebel hing da wie ein geisterhafter, alles bedeckender Schleier, wogend und leuchtend wie brennendes Sumpfgas oder ein Irrlicht. Große Fetzen davon trieben über den Tang und die Wracks.
Doch das, worauf die beiden mit entsetzten Gesichtern starrten, befand sich nur drei Meter von der Tür entfernt.
Eingebettet in das grüne Geflecht sahen sie die Überreste von drei Leichen, eventuell vier. Man erkannte nicht mehr viel von ihnen, nur hier und da schimmerte ein Stück weißen Knochens durch die glibbrigen gelbgrünen Stränge und Blätter des Algengestrüpps. Bis auf eine lagen die Leichen mit dem Gesicht nach unten und versanken langsam im Grün, doch ein Schädel grinste zu ihnen herauf. Fäden aus rosafarbenem Schleim sickerten aus den Augenhöhlen, und Seetang hing herab wie grünes Haar. Wie es so aus diesem dunstigen Gewuchere heraufstarrte, schien es fast, als hätte es das Skelett auf sie abgesehen.
»Oh Gott«, flüsterte George. »Das muss die Crew sein ... oder ein Teil davon ...«
Ein fetter brauner Wurm glitt aus der Nasenhöhle des Schädels und verschwand im Tang.
»Sie sind tot. Sie können euch nichts tun«, sagte Gosling und zog die beiden von der Tür fort.
Aber George wusste, dass ihm der Anblick dieser bis auf die Knochen abgenagten Männer bereits genug angetan hatte. Er verletzte ihn auf eine Weise, die er nicht genau benennen konnte. Aber so war es nun einmal an diesem Ort: Eine Verletzung folgte auf die nächste. Schrecken auf Schrecken und Albtraum auf Albtraum. Etwas anderes durfte man in dieser grausamen Dimension nicht erwarten.
Wie die Schwerkraft zog es einen nach unten.
5
Sieh sie dir an, sie sitzen nur da und warten und hoffen, dachte Cook . Sie alle haben etwas, zu dem sie zurückkehren wollen. Alle haben sie ihr Leben, haben etwas, mit dem sie weitermachen wollen und müssen. Alle außer mir. Ich war in der alten Welt allein, und ich bin es auch in der neuen. Und sie wissen es, sie alle wissen es verdammt gut. Sie reden über ihre Freundinnen und Frauen, über Geschwister und Kinder. Und ich? Ich sage nichts. Sie wollen nach Hause. Und sieh dir ihre Augen an! Sie bezweifeln, dass ich derjenige bin, der sie dorthin bringen kann.
Cook fühlte, wie alles aus ihm herauslief. All das Gift, all die Zweifel, Unsicherheiten und Sorgen. Es quoll aus jeder Pore und ertränkte ihn, ließ ihn verzweifelt nach Luft ringen. Er saß im Bug des Bootes und starrte hinaus in den Nebel und den Tang, denn er wollte nicht, dass einer von ihnen die Schwäche in seinem Gesicht bemerkte. Er fühlte sich ausgewrungen und hatte keine Antworten mehr. Das alles dauerte schon viel zu lange. Diese Männer würden sterben, und es würde seine Schuld sein, allein seine Schuld, denn er hatte nicht die geringste gottverdammte Ahnung, was sie als Nächstes tun sollten.
Nein, er konnte nicht zulassen, dass Saks es in seinem Gesicht sah.
Denn Saks würde es sehen. Und wenn er es sah, erkannte er es auch. Denn Leute wie Saks sind Raubtiere. Sie können Angst und Qualen genauso riechen, wie ein tollwütiger Hund die Panik in dir riecht. Und wenn das geschieht, ist es vorbei, denn dann brauchst du nur noch auf die Zähne und den schäumenden heißen Atem zu warten. Genau wie bei Saks: Er riecht es, er schmeckt es, er spürt es, und er beißt zu und lässt nie wieder los. Wenn man irgendwelche Fehler oder Schwächen hatte und Saks sie zu packen bekam, verbiss er sich darin, bis es vorbei war. Er rieb sie einem unter die Nase, bis man ihn entweder tötete oder aufgab und ihn gewinnen
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