DEAD SHOT
warum die Beamten genau dann die Fassung verloren, wenn sie am meisten gefordert waren. »Wir haben es nicht dazu kommen lassen, und Sie können nicht ungeschehen machen, was sich soeben dort zugetragen hat«, meinte er.
»Wären wir doch einen Schritt schneller gewesen«, seufzte Walker.
»Bullshit«, entgegnete Kyle und wurde allmählich sauer. »Ja, das ist eine furchtbare Tragödie, und es stimmt, viele Menschen sterben dort. Aber wir können verdammt noch mal nichts daran ändern, sondern müssen konzentriert bei der Sache bleiben. Unser Job ist es, Juba zu stellen, damit es nicht wieder zu so einer Katastrophe kommt. Dieses Ziel dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.«
Dave Hunt schaute zu ihm herüber. Seine Bulldoggenmiene schien noch zerknitterter als sonst. »Und Sie haben vermutlich einen Plan?«
»Nein, natürlich nicht. Ich kann nur immer wieder versuchen, so zu denken wie Juba, um mich in seine Lage hineinzuversetzen.«
Sybelle schaltete sich ein, um zu verhindern, dass die Unterhaltung zu emotional wurde. »Wir betrachten diesen Anschlag aus dem Blickwinkel einer Gefechtssituation, Agent Hunt. Der feindliche Sniper, denn nichts anderes ist Juba tief in seinem Herzen, hat sich sein Ziel sorgsam ausgesucht, den Anschlag bis ins Detail geplant und dann schnell und hart zugeschlagen. So machen es alle Sniper.«
»Was zum Teufel wird er dann als Nächstes tun, dieser Supersniper, den niemand finden kann?«
»Er wird sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen«, sagte General Middleton. »Wir müssen davon ausgehen, dass er San Francisco längst verlassen hat. Das Gebiet muss er meiden. Er weiß, dass er früher oder später geschnappt wird, wenn er auf amerikanischem Boden bleibt. Ihre Leute waren schnell vor Ort und wissen, wie er aussieht.«
Ein anderer Agent klopfte an und trat ein. Er reichte Carolyn Walker eine Nachricht, als Dave Hunt fragte: »Wohin wird er also gehen?«
Kyle hatte die Hände in die Seiten gestemmt und dachte nach. »Ich würde die Landesgrenzen wieder verlassen. Würde mir einen Ort suchen, an dem ich mich verteidigen kann.«
Walker gab die Nachricht weiter an General Middleton und sagte zu den anderen gewandt: »Wir erhalten gerade die Mitteilung, dass ein Sniper ein Krankenhaus unter Beschuss genommen hat, in das Opfer der Katastrophe eingeliefert wurden. Mehrere Leute starben vor der Notaufnahme, aber die Cops fanden das Versteck und den Schützen.«
»Hier steht, sie haben ihn«, verkündete der General. »Juba ist tot.«
Vancouver, B. C.
Kanada
Juba saß in der internationalen Abflughalle am Vancouver International Airport und widerstand dem Verlangen, einen Blick auf seine Armbanduhr oder auf die Uhren an den Wänden zu werfen. Dies war der gefährlichste Part des Trips, ein kalkuliertes Risiko, das er eingehen musste. Vierundzwanzig Stunden später würde es ihm besser gehen, doch bis dahin war der meistgesuchte Mann der Welt anfällig und wehrlos.
Die Sicherheitsmaßnahmen vor der Abflughalle im dritten Stock des Flughafens waren für Juba kein Problem gewesen, denn die Täterbeschreibung, die bei der Polizei und den Zollbeamten kursierte, sprach von einem Briten, der als niederländischer Geschäftsmann in die Vereinigten Staaten eingereist war. Von einem Weißen.
Juba hatte sich tagelang nicht rasiert, sich die Haare gefärbt, trug eine Brille mit Goldrand, hatte ein Bräunungsstudio besucht, damit der ohnehin dunkle Teint noch intensiver wurde, und hatte sich ein Stück Gummi in einen Schuh gelegt, um ein Humpeln vorzutäuschen. Dadurch schauten die Leute unwillkürlich zunächst auf seine Füße, erst dann in sein Gesicht. Niemand achtete groß auf ihn, als er seine neue Rolle spielte: den milde lächelnden Collegeprofessor vom Fachbereich Agrarwissenschaft an der Universität Damaskus. Der Reisepass war in Ordnung, wie auch der Ausweis der Uni und die mitgeführten Unterlagen, darunter eine Untersuchung kanadischer Weizenanbaumethoden. Seit über einem Jahr lagen die Dokumente bereit für den Notfall. Die Studie über den Weizenanbau war deshalb wichtig für die Maskerade, da sie das offizielle Siegel der kanadischen Behörden auf dem Cover trug. Ein stillschweigendes Bekenntnis, dass dieser Mann aus Damaskus ein vertrauenswürdiger Akademiker war, selbst wenn es nur um Weizenanbau ging. Bei den Zollbeamten schrillten da keine Alarmglocken.
Außerdem hatte das »Terroristen-Syndrom« bei den meisten Menschen am Flughafen automatisch dazu
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