DEAD SHOT
geführt, dass die Leute – bisweilen auch unabsichtlich – argwöhnische Blicke auf die Passagiere mit dunklem Teint warfen, die nach Damaskus reisen wollten. Ein ganzes Flugzeug mit Menschen aus dem Nahen Osten. Schafft diese Leute so schnell wie möglich fort! Keiner der Fluggäste sah auch nur entfernt wie ein Niederländer aus.
Also saß Juba still und allein auf einer Bank, las eine Zeitung und wartete auf den Flug nach Damaskus.
Trotz seiner Verkleidung wusste er, dass die Security in Kürze auf Hochtouren laufen würde. Als Sniper hatte er gelernt, die Stunden zu überbrücken, nachdem er eine Spur der Verwüstung hinterlassen hatte. Für Ablenkung war mit der falschen Fährte nach Mexiko gesorgt, und was er jetzt am meisten brauchte, waren Zeit und ein Vorsprung.
Der Flug der Austrian Airlines wurde ausgerufen, und Juba ging mit den Erste-Klasse-Passagieren an Bord. Auf seinem Platz holte er wieder sein Nachrichtenmagazin heraus, gab vor, in einen Artikel vertieft zu sein, war jedoch hellwach und hielt nach möglichen Bedrohungen Ausschau. Nach und nach kamen die Passagiere an Bord, schwatzten, lachten. Dann endlich gingen die Türen zu, und der Flieger setzte sich in Bewegung. Zehn Minuten später waren sie in der Luft.
Für die kommenden zwanzig Stunden war Juba nun sicher. Wenn die Gegner jedoch seine Täuschung durchschauten und die Fluchtroute herausgefunden hatten, würden die syrischen Behörden sich dann einverstanden erklären, den Verdächtigen gleich am Flughafen festzunehmen? Flucht ist ein schrittweiser Prozess, bei dem es keine sichere Planung für die nahe Zukunft gibt. Syrien war der nächste Schritt, und Juba konnte erst weiterplanen, wenn er dort eintraf.
Er bestellte einen Orangensaft bei der Stewardess. Das Getränk wurde kalt serviert; Wasserperlen bildeten sich auf dem Glas. Juba trank schluckweise und bat dann um eine Flasche Wasser. Er musste für seinen Wasserhaushalt vorsorgen. Alles in allem war er mit der Mission zufrieden, aber San Francisco gehörte nun der Geschichte an. Der Terroranschlag dort sollte die Teilnehmer der Auktion besänftigen, die wegen Saladins Tod nervös geworden waren. Aber die Interessenten an dem Giftgas würden bald wieder Feuer und Flamme sein, sobald er den Bietern mitteilte, dass die Versteigerung der Formel in die nächste Phase ging. Natürlich sollte nie jemand in den Besitz der Formel kommen, doch das konnten die Bieter ja nicht wissen.
Es war an der Zeit, die Geldoption zu berücksichtigen, sofern die Sache aus dem Ruder lief. Sobald das Geld auf einem sicheren Konto lagerte, auf das er Zugriff hatte, konnte er verschwinden. Über Jahre hatte er gelernt, sich unsichtbar zu machen, und diesmal wäre es leicht, da ihm Millionen Dollar zur Verfügung standen.
Der einzig heikle Punkt blieb Kyle Swanson. Shake würde nie aufgeben, und Juba konnte sich nirgends zur Ruhe setzen, solange der Marine noch lebte. Daher musste er Swanson aus dem Weg räumen, denn was die Behörden auch immer taten oder beschlossen, Swanson würde nie lockerlassen.
Washington, D. C.
»Ich glaube das einfach nicht, verdammt noch mal«, entfuhr es Kyle. »Woher wollen die wissen, dass er tot ist?«
»Hier steht, dass er seinen Namen mit Blut an die Wand einer Wohnung geschmiert hat, die er als Sniperversteck nutzte«, antwortete Middleton und reichte die Nachricht den anderen. »Er tötete eine Mutter und ihren kleinen Sohn.«
»Das ist wieder nur eine Ablenkung«, meinte Sybelle, als sie die Zeilen las. Sie reichte den Zettel Kyle und sagte zu Walker gewandt: »Die Leiche ist noch nicht einwandfrei identifiziert. Wir brauchen ein Foto von dem Toten, um es mit den Fotos von Juba zu vergleichen.«
Swanson stieß ein trockenes Lachen aus. »Glauben die da drüben wirklich, dass sich der große Mr. Unbekannt von hinten an einen der besten Sniper der Welt herangeschlichen und ihm eine Kugel in den Kopf gejagt hat? Kein Stück. Lassen Sie die Fingerabdrücke überprüfen. Der Tote ist nicht unser Mann, das können Sie mir glauben.«
Walker klopfte nervös mit den Fingerknöcheln auf den Tisch. »Ja, ich stimme Ihnen zu. Es passt alles zu gut zusammen. Das Problem ist nur, dass die Behörden in San Francisco nach dem Attentat im Stadion überfordert sind.«
Die Echse meldete sich zu Wort. »Nicht nur das. Das gesamte Kommunikationssystem ist fast lahmgelegt. Eine Nachricht braucht mittlerweile knapp drei Minuten bis zu uns, Tendenz steigend. Bei dem Datentransfer werden
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