DEAD SHOT
erreichten sie den zweiten Käfig, in dem ein Mann, ein Jugendlicher und eine Frau mittleren Alters mit langem grauem Haar als Versuchskaninchen dienten. Juba erinnerte sich dunkel. Die Frau war eine bekannte Schriftstellerin, die sich sehr kritisch gegenüber dem Regime geäußert hatte. Sobald er ihr Gesicht zugeordnet hatte, ignorierte er sie. »Diese Gruppe wird dieselben Reaktionen wie die erste zeigen. Auch hier rechne ich mit vollem Erfolg.«
»Sie werden alle binnen Minuten sterben?«
»Ja.« Bei den nächsten beiden Käfigen, die wiederum in einem Abstand von je fünfzig Metern platziert waren, machte der Direktor die gleichen Vorhersagen. Schließlich kamen sie zu dem letzten Pferch, der zweihundertfünfzig Meter vom ersten Käfig entfernt war. »Hier wird ein deutlicher Unterschied zu sehen sein. Selbst bei stabilen Windverhältnissen werden die Opfer in diesem Käfig sehr viel länger überleben und könnten bei richtiger medizinischer Hilfe überleben.«
Juba war mit den Ausführungen zufrieden. »Nun, Doktor Kahzahee, das hört sich gut an. Beginnen wir mit dem Test. Dann werden wir ja sehen, ob Sie Ihr Geld wert sind.«
Sie kehrten zurück zu den Jeeps, wo die übrigen Wissenschaftler sich versammelt hatten und ihre Messgeräte aufbauten. Am Boden stand ein Metallbehälter von der Größe eines Sauerstofftanks. Alle Beobachter stiegen in ABC-Schutzanzüge. Die Gruppe stand zwar gegen die Windrichtung, aber niemand wollte riskieren, Bekanntschaft mit dem tödlichen Geist zu machen, der in Kürze aus der Flasche gelassen werden sollte.
»Dort ist er! Ich kann Mahmoud sehen!« Aufgeregt packte Delara Tabrizi Kyle am Arm. »Dorthinten in dem zweiten Käfig, neben der grauhaarigen Frau. Er lebt!«
Swanson schaute durch seinen Feldstecher und entdeckte die drei Personen, die in dem Käfig zusammengepfercht waren. »Unmöglich, sie jetzt zu befreien«, sagte er. »Wir müssen warten.«
»Ich werde allein hingehen. Bei einer Frau schöpfen sie keinen Verdacht. Dann können Sie alle erschießen und Luftunterstützung anfordern.« Sie war im Begriff, sich zu erheben, doch Swanson zog sie fest zu Boden.
»Hören Sie zu! Hier habe ich das Kommando. Sie sind nur Beifahrer. Sie werden gar nichts machen, verstanden? Nichts , es sei denn, ich sage es Ihnen. Ich dachte, das hätten wir alles genau besprochen, ehe wir in den Hubschrauber stiegen.« Er sah die junge Frau finster an und machte keine Anstalten, seinen Zorn aus seiner Stimme herauszuhalten.
»Aber ich kann doch nicht zulassen, dass die meinen Bruder töten!«
»Sie werden diese Mission nicht behindern, Miss Tabrizi«, warnte er sie. »Unser Job ist es, herauszufinden, was sich in dieser Anlage verbirgt und was dort gemacht wird. Wir retten den Jungen, wenn wir es können, aber im Augenblick verhalten wir uns alle ruhig. Travis, setz dich notfalls auf die Frau, falls sie versucht, irgendwo hinzugehen.«
Swanson richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Gelände. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als zuzuschauen. Als er sah, dass die Männer dort unten Schutzanzüge anzogen, wandte er sich leise an die Gruppe: »Alle in die MOPP-Anzüge, und zwar jetzt.«
Die Marines und die Frau krochen auf die andere Seite der Anhöhe und stiegen in die Anzüge. Hughes half Delara, die nicht sofort mit der klobigen Ausrüstung zurechtkam. Selbst das kleinste Modell war ihr zu groß und hing schlaff an ihr herunter.
Kyle achtete nicht weiter darauf. Er brauchte einen Plan. Irgendetwas.
Mahmoud Tabrizi wusste, dass er an diesem Tag sterben würde. Er hatte ohnehin nicht erwartet, noch lange zu leben, nachdem er sich für die radikalen und umstürzlerischen Ideen begeistert hatte, die in seinem Freundeskreis kursierten: Man sprach davon, eine neue Regierung in Teheran einzusetzen, den Polizeistaat abzuschaffen und die Lehren der Mullahs kritisch zu hinterfragen. Das kam Hochverrat gleich. Mahmoud wusste das, doch es kümmerte ihn nicht, und daher war er bald an den Orten bekannt, an denen über die Möglichkeiten der Revolution diskutiert wurde. Drei Wochen vor seinem siebzehnten Geburtstag, als er in einem Käfig aus Stacheldraht am Boden hockte, war er der festen Überzeugung, für die kommende Studentengeneration im Iran ein Zeichen gesetzt zu haben. Auch wenn sein Beitrag nicht sehr groß gewesen war.
Er dachte an seine Schwester Delara, außer ihm die einzige Überlebende der Familie, und betete, Allah möge sie mit vielen Segnungen versehen. Mahmoud
Weitere Kostenlose Bücher